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Kunst und Kultur
Wiener Jahrbuch für Kunstgeschichte, Volume LIX
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Milena bartlová40 Die Kultur der Memoria, wie sie sich im extre- men Luxus figürlicher Grabmäler für die Ange- hörigen der Gesellschaftsspitze ausdrückte, bilde- te einen besonders empfindlichen Konfliktherd zwischen den Wohlhabenden und den Armen, die sich eine derart effektive Unterstützung der Gebete für ihre Seelen im Fegefeuer, wie Kunst- werke es waren, nicht leisten konnten. Dies wird auch daran deutlich, daß der bewaffnete Schutz der Gräber von Familienangehörigen im Mino- ritenkloster St. Jakob das wichtigste Beispiel für erfolgreichen Widerstand von Prager Bürgern – es waren die Mitglieder der Fleischhackergilde – gegen die radikalen hussitischen Angreifer ist.36 In den hussitischen Manifesten und Prokla- mationen werden religiöse Bilder in den Kirchen immer zusammen mit den liturgischen Gefäßen, Utensilien und Gewändern genannt, und zwar hier an letzter Stelle. Genau dasselbe gilt für den byzantinischen und den niederländischen Ikono- klasmus.37 Ziel der Beseitigung all dieser Gegen- stände war stets und wie bereits erwähnt die Reinigung des Kirchenraums, den die bekämpf- te Tradition mit Beispielen von Reichtum und Luxus angefüllt hatte. In denselben Zusammen- hang gehört es, wenn auch alle liturgischen und paraliturgischen Aufführungen wie Prozessionen abgeschafft und in den radikalsten Fällen selbst der liturgische Ritus und der geheiligte Kirchen- raum selbst zerstört werden sollten. Aus meiner Sicht ist es wichtig, daß gerade dieser Kontext in den Berichten über die Zerstörung von Bildern am häufigsten genannt wird, denn im Grunde ging es – ganz anders als auf theoretischer Ebene argumentiert wurde – auch hier nicht gegen das religiöse Bild als eine illegitime und riskante Dar- stellung. Sicher kam es vor, daß die Entfernung wertvoller Ausstattungsstücke aus den Kirchen zur „Privatisierung“ dieser Objekte und damit zur Bereicherung von Individuen führte, es ist bei solchen Nachrichten aber auch zu berück- sichtigen, daß es die Aussagen der antihussiti- schen Autoren sind, die im Gedächtnis Nachwelt dominieren. Nichtsdestoweniger gibt es Beweise dafür, daß die Hussiten zumindest gelegentlich anders handelten und in der Reinigung von Kir- chen eine ernste, religiös relevante Tat sahen. Nach der Eroberung der Burg Rabí im Septem- ber 1422 trugen Žižkas Soldaten alle Wertgegen- stände und Bilder zusammen und verbrannten sie als eine Opfergabe für Gott. Sie folgten dabei dem alttestamentlichen Vorbild der Makkabäer, deren militärisches Handeln in religiöser Sache für die Hussitenarmee auch in anderen Fällen das Legitimationsmodell gab.38 Neben den lokal nicht spezifizierten Ankla- gen des Laurentius von Březová gibt es tatsäch- lich nur eine Nachricht, die besagt, daß ein religiöses Bild ausschließlich deshalb zerstört wurde, weil es ein religiöses Bild war und zu Unrecht den Anspruch erhob, Jesus Christus zu repräsentieren. Es geht um die hölzerne Darstel- lung Christi auf dem Esel, die als Requisit der Palmsonntags-Prozessionen diente. Nach der Eroberung der Prager Burg und dem Sieg über den legitimen böhmischen und römischen König Sigismund von Luxemburg im Juni 1421 zerstör- ten die Hussiten die Ausstattung des Veitsdoms. Dabei bemächtigten sie sich eben des Palmesels, trugen ihn auf den noch unvollendeten Turm der Kathedrale, verspotteten ihn und forder- ten ihn auf: Bist du Christus, so segne Meißen!.39 36 D. Martínková/A. Hadravová/J. Matl (Hrsg.), Enea Silvio, Historia Bohemica, Prag 1998, IV:52, S. 169. 37 D. Freedberg, The Structure of Byzantine and European Iconoclasm, in: A. Bryer/J. Herrin (Hrsg.), Iconoclasm, Birmingham 1977, S. 165–177. 38 Emler, Laurencius de Brezova (zit. Anm. 34), S. 364; M. Bartlová, The Utraquist Church and the Visual Arts be- fore Luther, in: Bohemian Reformation and Religious Practice IV, 2002, S. 215–224; vgl. F. Holeček, Makkabäische Interpretation des hussitischen Chorals ‘Ktož jsú boží bojovníci’, in: M. Polívka/F. Šmahel (Hrsg.), In memoriam Josefa Macka 1922–1991, Prag 1996, S. 111–115. 39 Emler, Laurencius de Brezova (zit. Anm. 34), allgemeiner formuliert auf S. 411, konkret zum Palmesel S. 484.
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Wiener Jahrbuch für Kunstgeschichte Volume LIX
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Title
Wiener Jahrbuch für Kunstgeschichte
Volume
LIX
Editor
Bundesdenkmalamt Wien
Institut für Kunstgeschichte der Universität Wien
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2011
Language
German, English
License
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-78674-0
Size
19.0 x 26.2 cm
Pages
280
Keywords
research, baroque art, methodology, modern art, medieval art, historiography, Baraock, Methodolgiem, Kunst, Wien
Category
Kunst und Kultur
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