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Wiener Jahrbuch für Kunstgeschichte, Volume LIX
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der Bildersturm der böhmischen hussiten 41 Die Bedeutung der Episode war bereits Nor- bert Schneider nicht entgangen; er sah in ihr – und stimmte hierin mit der Deutung durch Laurentius von Březová überein – eine Geste, die sich gegen den mit Sigismund verbündeten Meißner Bischof richtete.40 Wichtig ist aber auch der Schlußakt des Dramas: Als die Statue der Aufforderung nicht nachkommt, wird ihr die Anerkennung als vollwertige Darstellung Jesu verweigert, und sie wird von den Hussiten im Spott vom Turm geworfen – denn ein Lügen- gebilde hat kein Existenzrecht. Die Ikonoklasten zeigen hier wirklich, daß sie an die Möglich- keit einer Anwesenheit des Urbildes im Bild in einem emphatischen Sinne glaubten – dies im Unterschied zu den ursprünglichen Benutzern des Palmesels, die keineswegs angenommen hat- ten, Christus sei in der Skulptur selbst präsent, sondern seine Anwesenheit in einem durch das Bild unterstützen Gemeinschaftsritual erlebten. Es ist wohl kein Zufall, daß das beschriebene Ereignis den Palmesel betraf, ein „handelndes“ Bild und damit eines, das nicht der Betrachtung, sondern zur Handhabung diente, d.h. ungefähr wie eine Marionette funktionierte und schon deshalb von den öffentlichen Ikonoklastischen Aktionen am stärksten betroffen war.41 Der Auf- tritt solcher Bilder oder besser Figurinen fand im Zusammenhang mit Straßenprozessionen und anderen öffentlichen Aufführungen statt. Dabei handelte sich um Entsprechungen zum Karneval mit seiner Inszenierung einer verkehr- ten Welt. Anläßlich seiner Untersuchungen zum reformatorischen Ikonoklasmus des 16. Jahrhun- derts bemerkte Sergiusz Michlalski, the ritual of destruction was concieved as a symbolic inversion of existing popular devotional rituals.42 Diese Assoziation wird bei der Lösung einer Frage helfen, die an dieser Stelle gestellt werden muß und die einem, wie ich finde, noch unzurei- chend erhellten Schlüsselproblem beim Studium des Hussitentums gilt: Warum ist es im 14. Jahr- hundert gerade nur hier gelungen, die Reform- ideen in eine revolutionäre Praxis zu überführen? Konkret im Fall des Ikonoklasmus lautet die Frage: Sofern der hussitische Ikonoklasmus der erste seiner Art war, kann ihm kein Modell für den Bildersturm der christlichen Massen zur Ver- fügung gestanden haben. Signifikanter Grund- zug ist die Umkehrung der sozialen Normen: Während vorher die Verehrung des religiösen Bildes in Böhmen wie überall sonst in Europa Standard war, wenden sich die Menschen nun gegen die Bilder und entfernen sie physisch, ja zerstören sie.43 Wie konnten die Folgerungen der Theoretiker zu einer sozialen Kraft werden und die Masse zum Wechsel des normativen Verhal- tens bewegen? Den radikalen Hussiten war es offensichtlicht gelungen, die Schlüsselfrage jeder Revolution erfolgreich zu lösen. Haben sie dies wirklich nur durch ihre Predigten erreicht, wie in der Literatur bisher angenommen worden ist? Mag die Vorstellung auch verbreitet sein, das von der Kanzel gesprochene Gelehrtenwort vermöge die Massen zu mobilisieren, so sollten wir uns doch eingestehen, daß wohl eine Projektion des 40 Schnitzler, Ikonoklasmus (zit. Anm. 5), S. 90. 41 J. Tripps, Das handelnde Bildwerk in der Gotik, Berlin 2000, zum Palmesel S. 95–121; Christian von Burg, ‘Das bildt vnsers Herren ab dem esel geschlagen’. Der Palmesel in der Riten der Zerstörung, in: P. Blickle/A. Holenstein/F. R. Schmidt/F. J. Sladeczek (Hrsg.), Macht und Ohnmacht der Bilder. Reformatorischer Bilder- sturm im Kontext der europäischen Geschichte, München 2002, S. 117–142. 42 S. Michalski, Reformation and the Visual Arts. The Protestant Image Question in Western and Eastern Europe, London/New York 1993, S. 91–98. 43 Die Frage, wie eine solche Umkehrung möglich war, warf als Thema des Studiums von Bildersturm auf: D. Freedberg, Holy Images and Other Images, in: S. C. Scott (Hrsg.), Th e Art of Interpreting (Papers in Art His- tory from The Pennsylvania State University), University Park (PA) 1995, S. 69–87. Kurz befaßte sich damit J.-C. Schmitt, Normen für die Produktion und Verwendung von Bildern in Mittelalter, in: D. Ruhe/K.-H. Spiess (Hrsg.), Prozesse der Normbildung und Normveränderung im mittelalterlichen Europa, Stuttgart 2000, S. 5–26.
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Wiener Jahrbuch für Kunstgeschichte Volume LIX
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Title
Wiener Jahrbuch für Kunstgeschichte
Volume
LIX
Editor
Bundesdenkmalamt Wien
Institut für Kunstgeschichte der Universität Wien
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2011
Language
German, English
License
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-78674-0
Size
19.0 x 26.2 cm
Pages
280
Keywords
research, baroque art, methodology, modern art, medieval art, historiography, Baraock, Methodolgiem, Kunst, Wien
Category
Kunst und Kultur
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