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Kunst und Kultur
Wiener Jahrbuch für Kunstgeschichte, Volume LIX
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Milena bartlová42 Professorentraums von der eigenen Bedeutung in der Welt der praktischen Politik vorliegt – nicht anders als es auch bei den Untersuchungen der lutherischen und der kalvinischen Reformation in Deutschland und den Niederlanden der Fall ist. Beim vergleichsweise gut dokumentierten niederländischen Ikonoklasmus von 1566 wis- sen wir von angeheuerten Personen, welche die Volksmassen aufhetzten.44 Auf die Notwendig- keit einer solchen Art von Zwischenglied zwi- schen den intellektuellen Anführern und der Masse weist auch die soziologische Theorie der emergenten Ordnung hin, die gegen die Annah- me eines vagen „Geists der Massen“ pragma- tisch zeigt, wie im Zusammenwirken mehrerer Kerngruppen, die sich um initiative Individuen bilden, aus neu gesetzten Normen signifikante Gruppenmerkmale entstehen. Im Fall des Hus- sitentums liegt es auf der Hand, daß diese Indi- viduen Studenten der Prager Universität waren. Dazu paßt unter anderem auch der Umstand, daß es nur in Prag zu einem radikalen von Men- schenmassen getragenen Ikonoklasmus kam. Die zahlreichen Anhänger von Huß sowie weitere Prediger und Theoretiker hatten ihr Organisati- onszentrum im Kolleg „Zur Schwarzen Rose” auf der Neustädter Seite der Straße Na příkopech/ Graben.45 Es ist bekannt, daß die Studenten bei ihrer Agitation in den Prager Straßen (wo sie nicht nur die Einwohner ansprechen konn- ten, sondern auch Besucher, wie sie etwa zu den großen Pilgerfesten anläßlich der Weisung der Reichskleinodien kamen) Couplets sangen und auch visuelle Hilfsmittel verwendeten, d.h. auf jene Kommunikationsmittel zurückgriffen, wel- che die Ungebildeten auch unter normalen Herr- schaftsbedingungen nutzten.46 Diese Studen- ten vermochten die Kommunikationsschwelle zwischen den Gelehrten und den Ungebildeten schon deshalb zu überwinden, weil sie nicht von der hohen Bühne der Kanzel herunter sprachen, sondern sich in derselben Welt wie ihr Publikum bewegten und dessen eigene Medien benutzten. Das Modell der radikalen Umkehrung der Werte in Form der Karneval-Performanz bot ihnen die dafür notwendige Struktur. Die systematische Wiederholung bildstürme- rischer Ideen in den Predigten war allerdings das andere und ebenso unverzichtbare Mittel, das die negative Beziehung zu den Bildern als sozi- ale Norm etablieren half und verhinderte, daß es zur Wahrnehmung von Bilderfeindlichkeit als einer bizarren Attitüde kam. Wie wir in der vorausgegangenen Untersuchung gesehen haben, waren zahlreiche Handlungen, die gemeinsam in die Kategorie des Bildersturms eingereiht werden, in Wirklichkeit verschieden motiviert. Es sei daran erinnert, daß es im tschechischen Sprachschatz des 14.–16. Jahrhunderts keinen Beleg für die Verwendung einer zusammenfas- senden Kategorie von „Bildersturm“ gibt.47 Die Aufstellung einer neuen, den religiösen Bildern feindlichen Norm ermöglichte es rückwirkend, die verschiedenen Motivationen zu rationali- sieren und zu legitimieren, und dieser Prozeß setzte zweifellos schon unmittelbar nach dem 44 Freedberg, Structure of Iconoclasm (zit. Anm. 37); J. Vacková, Ikonoklasmus evropské reformace – Nizozemí 1566, in: Husitský Tábor 8, 1985, S. 19–28. 45 Zum früheren Stadtgraben siehe Z. Dragoun, Opevnění Starého Města pražského, in: Documenta pragensia 5, 1986, S. 16–21. 46 Für eine Analyse der Beziehung dieser Bilder zu den „Antithesen Christi et Antichristi“, zu den Illuminationen im Jenaer Codex und zur Dekoration der Bethlehemkapelle ist hier nicht genug Raum: Ich werde mich dem in einer eigenen Studie widmen. Die letzte Veröffentlichung zum Thema ist der Kommentar von P. Mutlová und M. Studničková zu der Faksimile-Ausgabe des Jenaer Codex (Cod. KNM IV.B.24). Vgl. M. VaculÍnová (Hrsg.), The Jena Codex. Commentary, Prag 2009. 47 Die Wörterbücher, so Staročeský slovník 9, Praha 1977 und J. Jungmann, Slovník česko-německý 2, Reprint Praha 1990, S. 793–795, führten zwar die Begriffe „obrazoborce, obrazotepec, obrazorušec“ für „Bildstürmer“ auf, die Belege stammen aber erst aus dem 17. Jahrhundert.
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Wiener Jahrbuch für Kunstgeschichte Volume LIX
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Title
Wiener Jahrbuch für Kunstgeschichte
Volume
LIX
Editor
Bundesdenkmalamt Wien
Institut für Kunstgeschichte der Universität Wien
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2011
Language
German, English
License
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-78674-0
Size
19.0 x 26.2 cm
Pages
280
Keywords
research, baroque art, methodology, modern art, medieval art, historiography, Baraock, Methodolgiem, Kunst, Wien
Category
Kunst und Kultur
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