Web-Books
in the Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Kunst und Kultur
Wiener Jahrbuch für Kunstgeschichte, Volume LIX
Page - 70 -
  • User
  • Version
    • full version
    • text only version
  • Language
    • Deutsch - German
    • English

Page - 70 - in Wiener Jahrbuch für Kunstgeschichte, Volume LIX

Image of the Page - 70 -

Image of the Page - 70 - in Wiener Jahrbuch für Kunstgeschichte, Volume LIX

Text of the Page - 70 -

eCKHARD lEUSCHNER70 Barock entgegen. Wahrscheinlicher ist, daß Perret die Dedikation einerseits deshalb setzte, weil er schon Herreras Pläne des Escorial gestochen hatte und auf weitere Kooperationen mit dem Archi- tekten hoffte. Andererseits schloß eine Widmung an einen bedeutenden Hofkünstler wie Herrera automatisch auch das Prestige von dessen Ar- beitgeber ein oder zielte sogar primär auf letzte- ren. Dafür spricht schon die hohe künstlerische Qualität von van Veens Komposition für Perrets Stich, speziell der perfekte Ausgleich zwischen den sorgfältig studierten Einzelfiguren und ei- ner turbulent-dekorativen Figurenmenge. Dieses Bemühen um künstlerische Güte erhellt auch aus einem Vergleich mit dem in diesen Jahren üblichen, weitaus bescheideneren Standard alle- gorischer Kupfer, etwa mit einem vom veneziani- schen Verleger Luca Bertelli im Jahre 1588 (Abb. 3) publizierten Werk12, in dem zwar teils ähnliche mythologische Figuren (Bacchus und Venus) auf- treten, insgesamt aber eine parataktische Reihung von Personifikationen und kruden Bildmeta- phern wie die „Presse der Schwelgerei“ (Lussuria) oder die „Schlachtbank der späten Reue“ (Banca del tardo pentimento) eine moralinsaure Atmo- sphäre schaffen, die dem in seiner Gestaltung und Aussage sehr ponderierten Blatt Perrets fremd ist. In letzterem erscheint die verfeinerte Atmosphäre gesellschaftlich hoch stehender Moral- und Erzie- hungsdiskurse bereits durch den künstlerischen Anspruch evoziert. Der „Oberklasse“-Kontext solcher visualisier- ten Bemühungen allegorischer Gestalten um eine ihrem Einfluß ausgelieferte Mittelfigur ist, wie noch nicht betont wurde, auch dadurch evident, daß es für van Veens Komposition einheimische, also niederländische Vorläufer aus der gehobenen Innendekoration gibt, etwa eine heute im Bay- erischen Nationalmuseum München bewahrte Tapisserie von ca. 1515 (Abb. 4).13 Auch wenn es kaum möglich erscheint, jede der durchweg kost- bar gekleideten Figuren des Brüsseler Bildtep- pichs zu benennen, deutet doch der Antagonis- mus der Frau mit dem erhobenen Schwert links, „Justitia“, und der „Luxuria“ rechts, die an einen jungen, zentral positionierten Mann („homo“) gelehnt ist, die Konfliktlinie zwischen Tugend und Laster an. Wie dieses Beispiel zeigt, stützte sich die frühbarocke Ikonographie nicht selten auf weitaus ältere Quellen, modernisierte aber im Stilistischen, verstärkte den Eindruck humanisti- scher Gelehrsamkeit und spitzte die repräsentier- ten Gegensätze visuell weiter zu. Kaum zufällig findet man in zeitgenössischen Quellen, und so auch in Unterschriften von Darstellungen des Escorial, die virtus von dessen Erbauer Philipp II. gerühmt, diesem christlichen Tugendhelden, dessen gebaute Architekturprojekte „ordo“, Ord- nung, verwirklichten und symbolisierten.14 Die ältere Forschung zum Stockholmer Bild und dem Kupfer Perrets hat sich (auf den Spuren von Erwin Panofskys grundlegendem Herkules- Buch15) meist darauf beschränkt, beide Werke als Variationen des Themas „Wahl des Herkules zwischen Tugend und Laster“ zu erklären. Einen neuen Beitrag zur Interpretation lieferte 2007 Lisa Rosenthal, die Beobachtungen zu den weib- lichen Protagonisten anbrachte und daraus ihre 12 Luca Bertelli exc: Stato de’ Lussoriosi, Radierung, 354 x 476 mm, Kunstsammlungen der Fürsten zu Waldburg- Wolfegg. Einführend zu Luca Bertelli als Verleger solcher Drucke vgl. M. Bury, The Print in Italy 1550–1620, Lon- don 2001, S. 222. 13 Bayerisches Nationalmuseum, München, Inv. Nr. T3808; vgl. H. Göbel, Wandteppiche, Bd. I, Leipzig 1923, S. 411, Abb. 89; A. von Schneider, Bemerkungen zu einigen niederländischen Wandteppichen des bayerischen National- museums, Münchner Jahrbuch der Bildenden Kunst N. F. 1, 1924, S. 50–72, hier S. 59. Vgl. auch die Diskussion einer zeitnahen Tapisserie mit dem Nachbarthema des „Verlorenen Sohnes” in: P. Verdier, The Tapestry of the Prodigal Son, in: Journal of the Walters Art Gallery 18, 1955, S. 9–58. 14 Wilkinson-Zerner, Juan de Herrara (zit. Anm. 11), S. 114, Abb. 125. 15 E. Panofsky, Hercules am Scheidewege, Leipzig/Berlin 1930, S. 114, Anm. 1.
back to the  book Wiener Jahrbuch für Kunstgeschichte, Volume LIX"
Wiener Jahrbuch für Kunstgeschichte Volume LIX
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Title
Wiener Jahrbuch für Kunstgeschichte
Volume
LIX
Editor
Bundesdenkmalamt Wien
Institut für Kunstgeschichte der Universität Wien
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2011
Language
German, English
License
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-78674-0
Size
19.0 x 26.2 cm
Pages
280
Keywords
research, baroque art, methodology, modern art, medieval art, historiography, Baraock, Methodolgiem, Kunst, Wien
Category
Kunst und Kultur
Web-Books
Library
Privacy
Imprint
Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Wiener Jahrbuch für Kunstgeschichte