Page - 103 - in Wiener Jahrbuch für Kunstgeschichte, Volume LIX
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In Friedrich Carl von Mosers epochaler
Publi-kation
„Teutsches Hof-Recht“ (1761) wird auf
den höfischen Usus hingewiesen, sich bereits zu
Lebzeiten ein Grabmal errichten zu lassen: Zu-
weilen lassen sich grosse Herrn noch bey Lebzeiten
Grabmahle aufrichten, oder verordnen wenigstens
deßwegen in ihrem Testament; ja ehedem wurde
es als eine dem Verstorbenen unnachlaßbar schul-
dige Pflicht angesehen.1 Franz Stephan und Maria
Theresia kamen dieser Forderung mit der An-
fertigung des Prunksarkophags in der Wiener
Kapuzinergruft in besonderer Weise nach. Die
von Schwermut bedrückte Herrscherin ver-
brachte in ihren letzten Lebensjahren mehrere
Stunden am Tag im „schwarzen Cabinet“ (in der
Hofburg oder in Schönbrunn) angesichts von
Kruzifix, Totenschädeln und -bildern ihres Ge-
mahls und der eigenen in der Vorstellung, wie
sie einst aufgebahrt sein würde.2 Aufgrund der
Quellen im Archiv der Wiener Kapuziner sind
zudem zahlreiche Besuche Maria Theresias in der Kapuzinergruft sowie ihr legendäres Diktum
Hier wird einmal gutt ruhen seyn. überliefert.3
Dieser Umstand war auch Gegenstand histori-
sierender Darstellungen des 19. Jahrhunderts,
welche die Auseinandersetzung der Regentin mit
dem Sterben – angesichts des vollendeten Sarko-
phags – verklären (Abb. 1).4 Die visuelle Imagi-
nation des Todes – und damit die Funktion von
bildender Kunst im Sinne der Vergegenwärti-
gung des Endes des Irdischen – spielten somit bei
Maria Theresia eine große Rolle und in der Folge
auch bei allen unhistorischen Mythisierungen ei-
ner angeblichen Liebe der Habsburger zum Tod.5
Maria Theresia hatte bereits 32 Jahre vor
ihrem Tod die Vergrößerung der Gruft ihrer
Vorfahren veranlaßt und nach einem wenig ge-
lungenen Umbau im Jahr 1748 schließlich 1753
die Pläne Jean Nicolas de Jadots verwirklicht.6
Diese sahen einen Ovalkuppelbau auf Kreuz-
grundriß vor. Vielleicht kann dieser Architekt
auch als Autor eines Gesamtkonzepts von neuer
HIER WIRD EINMAL GUTT RUHEN SEYN
BALTHASAR FERDINAND MOLLS PRUNKSARKOPHAG
FÜR FRANZ STEPHAN UND MARIA THERESIA IN
DER WIENER KAPUZINERGRUFT (1754)
Werner Telesko
1 F. C. von Moser, Teutsches Hof-Recht [...], 1, Frankfurt am Main/Leipzig 1761, S. 484.
2 E. Vehse, Geschichte der deutschen Höfe seit der Reformation, 14, Abt. 2 (Oestereich), Teil 8, Hamburg 1852, S.
17–18. – G. Mraz/G. Mraz, Maria Theresia. Ihr Leben und ihre Zeit in Bildern und Dokumenten, Wien 21980, S.
194.
3 C. Wolfsgruber OSB, Die Kaisergruft bei den Kapuzinern in Wien, Wien 1887, S. 56–73, 254.
4 A. Ziegler, Gallerie aus der Österreichischen Vaterlandsgeschichte in bildlicher Darstellung, enthaltend: Die
außerordentlichen Denkwürdigkeiten und merkwürdigsten Ereignisse in der Reihenfolge, aus der Epoche des
Habsburg’schen Hauses bis zum Regierungsantritte Sr. Majestät Kaiser Ferdinand I., 3, Wien 1837–1838, Taf. 98, vgl.
Wien, Österreichische Nationalbibliothek, Bildarchiv und Porträtsammlung, Pk 272, 58 (Lithographie von Ernst
Fischer, vor 1874), Pg 185 177/2 in Ptf. 132a (83) [Neg.-Nr. NB 540.094-A(B)], Pg III/1/32 E und Pg Österreich 185
177/2:II(1).
5 P.-R. Mersey, L’amour de la mort chez les Habsbourg. Contribution à la Pathologie historique (Université de Paris
– Faculté de Médecine), Paris 1912.
6 F. Beelitz, „Vereint in alle Ewigkeit“. Das Grabmal Maria Theresias und Franz Stephans von Lothringen von
Balthasar Ferdinand Moll, phil. Dipl. (unpubl.), Wien 1997, S. 22.
Wiener Jahrbuch für Kunstgeschichte
Volume LIX
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Wiener Jahrbuch für Kunstgeschichte
- Volume
- LIX
- Editor
- Bundesdenkmalamt Wien
- Institut für Kunstgeschichte der Universität Wien
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2011
- Language
- German, English
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78674-0
- Size
- 19.0 x 26.2 cm
- Pages
- 280
- Keywords
- research, baroque art, methodology, modern art, medieval art, historiography, Baraock, Methodolgiem, Kunst, Wien
- Category
- Kunst und Kultur