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Kunst und Kultur
Wiener Jahrbuch für Kunstgeschichte, Volume LIX
Page - 108 -
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Page - 108 - in Wiener Jahrbuch für Kunstgeschichte, Volume LIX

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Werner Telesko108 herzogshut gekrönt, jene von Franz Stephan mit der lothringischen Hauskrone. Auf dem Mittel- fuß dieser Schmalseite ruht ein mit einem Tuch bedeckter Totenkopf. Die vier lebensgroßen trauernden Eckfiguren nehmen den Zusammenhang der in den Kronen und Wappen präsenten Herrschaftsfunktionen auf und zeigen auf der Seite Franz Stephans die Personifikationen des Königreiches Jerusalem und des römisch-deutschen Kaiserreiches, wäh- rend Maria Theresias Tod von den Personifika- tionen der Königreiche Böhmen (Abb. 4) und Ungarn beweint wird. Die Mittelstützen kaschie- ren vollplastische Kriegstrophäen mit zentralem antiken Schuppenpanzer (an den Längsseiten) (Abb. 5) bzw. mit halb verschleierten, teils ge- krönten Totenschädeln (an den Schmalseiten). Der habsburgisch-lothringische Machtan- spruch in Gestalt des in antikisierender und zeitgenössischer Herrschaftsrobe gekleideten Paares wird somit mit der Überzeitlichkeit der Eckfiguren, die sich auf die beherrschten Territorien (und deren trauernde Untertanen) beziehen, kombiniert und zugleich kontra- stiert. Beide Gruppen von Figuren, das Herr- scherpaar und die Personifikationen, haben mit der Funktion von Herrschaft an sich zu tun, bezeichnen aber differente Strategien, diesen Anspruch geltend zu machen. Die Sinneinheit entsteht nur aus der Kombination dieser un- terschiedlichen – auch stilistisch divergierend gestalteten – Personen bzw. Personifikationen, die letztlich aufeinander verweisen, da sich die konkreten Ansprüche des Paares nur in den durch die Heraldik deutlich gemachten „über- individuellen“ Herrschaftstiteln verkörpern, deren Symbolik auf eine wahre Fülle von Insi- gnien verweist. Die Thematik des Sarkophags steht in dieser Hinsicht ganz im Zeichen der Spannung zwischen Individualität und De- skription (im Herrscherpaar und in den Reli- efs) sowie Überindividualität (in den Eckfigu- ren). In der Forschung findet sich zuweilen der Versuch einer Ableitung des Typus des Dop- pelsarkophags aus der Tradition etruskischer Grabmäler, die sowohl Liegefiguren als auch den charakteristischen Gestus des Sich-Anblickens der Figuren zeigen.17 Eine solche Herleitung ist allerdings bereits aufgrund des Faktums nicht unproblematisch, daß etruskische Sarkophage Wandgrabmäler und keine rundumgänglichen, allseitig gestalteten Freigräber sind. Das auf ei- nem Bett lagernde Paar in Molls Sarkophag scheint vielmehr die Tradition des lectus funebris, des geschmückten Totenbetts, zu rezipieren, auf dem in der Antike der Verstorbene im Atrium des Trauerhauses aufgebahrt lag. Von habsburgischen Sarkophagen des 18. Jahrhunderts konnte Moll die Idee übernehmen, den Tumbadeckel mit vollplastischen Figuren zu schmücken, die Tumbaecken zu Genien- bzw. Totenköpfen auszuformen sowie die Seitenwände mit Reliefs zu versehen. Konkret sind hier An- knüpfungspunkte an die Sarkophage Karls VI. (1752) (Abb. 6) und dessen Gemahlin Elisabeth Christine (1751) gegeben, an denen Balthasar Moll persönlich mit der alleinigen Gestaltung (Sarko- phag Elisabeth Christines) bzw. der Umarbeitung (Sarkophag Karls VI.) beteiligt gewesen ist.18 Die Grundidee dieser beiden älteren Denkmäler, nämlich jeweils eine vollplastische Gruppe mit plastischen Akzenten an den vier Ecken zu kom- binieren, wird in Molls Prunksarkophag für Maria Theresia und Franz Stephan weiterverfolgt und in Richtung eines szenischen Habitus gesteigert. Innovativ innerhalb der Tradition habsburgi- scher Grabmäler ist bei Moll die neue Bedeutung 17 Ginhart, Kaisergruft (zit. Anm. 7), S. 32. – Beelitz, Grabmal (zit. Anm. 6), S. 53–55. – E. Panofsky, Grabplastik, Köln 1964, Abb. 74. – Zur Bedeutung der Erforschung der etruskischen Kunst zur Entstehungszeit des Prunksarko- phags: A. F. Gori, Museum Etruscum exhibens insignia veterum Etruscorum Monumenta, 1–3, Florenz 1737–1743. 18 Ginhart, Kaisergruft (zit. Anm. 7), S. 14–15, Nr. 42; S. 16, Nr. 45. – Lauro, Grabstätten (zit. Anm. 7), S. 206–207.
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Wiener Jahrbuch für Kunstgeschichte Volume LIX
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Title
Wiener Jahrbuch für Kunstgeschichte
Volume
LIX
Editor
Bundesdenkmalamt Wien
Institut für Kunstgeschichte der Universität Wien
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2011
Language
German, English
License
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-78674-0
Size
19.0 x 26.2 cm
Pages
280
Keywords
research, baroque art, methodology, modern art, medieval art, historiography, Baraock, Methodolgiem, Kunst, Wien
Category
Kunst und Kultur
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