Page - 114 - in Wiener Jahrbuch für Kunstgeschichte, Volume LIX
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Werner
Telesko114
beiderseitige Halten des Szepters auf eine herr-
schaftsikonographische Ebene gehoben wird. Die
Bedeutung des ungarischen Krönungsszepters,
das von beiden Liegefiguren mit je einer Hand
ergriffen wird, ist unikal:45 Gleichsam parallel zum Einander-Anblicken fungiert dieser Gestus
des Haltens des Szepters46 als ein wesentliches
Moment der gemeinsam ausgeübten Macht, die
in der von Maria Theresia im November 1740
durchgesetzten Mitregentschaft Franz Stephans
in den „Erbkönigreichen und Ländern“ eine
staatsrechtliche Grundlage besitzt.47 Die gegen-
seitige Verbundenheit des Herrscherpaares ist
wiederum nicht vom übergreifenden eschatolo-
gischen Zusammenhang zu trennen, da die vom
Genius abgesetzte Posaune das Erwachen des
Paares aus dem Totenschlaf und das gegenseiti-
ge liebevolle Sich-Anblicken nach sich zieht. Der
Bildhauer konnte sich hinsichtlich der emblema-
tischen Auszeichnung des Szepters zudem einer
bemerkenswerten Tradition bewußt gewesen
sein, welche dieses – als von Rosen umwunden
– als Lex Clementiae liest.48 Eine Anspielung auf
eine szenische Veranschaulichung von Iustitia et
Clementia – und damit den Wahlspruch Maria
Theresias – könnte dadurch unterstrichen sein,
daß Maria Theresia mit ihrer freien Linken ein
Schwert ergreift, also auf Iustitia anspielt.
Das Liebesmotiv des Paares wird nur von
der vorderen Schmalseite deutlich: Nur diese
Frontalansicht, welche die Häupter des Kaiser-
paares zu seiten des krönenden Genius einander
zugewendet zeigt (Abb. 11), macht eine solche
Deutung möglich. Mit dieser markanten An-
sicht werden offensichtlich reine Profilansichten,
welche üblicherweise die Medaillenkunst be-
stimmen, rezipiert.49 Das Münzbildnis als „kri-
45 Der einzige motivische Vergleich, bei dem zwei Personen gemeinsam ein Szepter umfassen, ist in dem emblemati-
schen Handbuch von G. de la Perrière mit dem Titel „La Morosophie“ (Lyon 1553), Nr. 18, nachweisbar.
46 G. Cortte, Dissertatio iuris publici de origine et iure sceptrorum [...], Frankfurt an der Oder 1736, S. 13, 15, weist
auf die fundamentale mythologische Bedeutung des Szepters hin, wonach dieses den Herrschern von den Göttern
überantwortet worden sei.
47 A. Faber (recte C. L. Leucht), Der Europäischen Staats-Cantzley acht und siebenzigster Theil [...], Nürnberg
1741, S. 705–712. – F. Reinöhl, Die Übertragung der Mitregentschaft durch Maria Theresia an Grossherzog Franz
Stephan und Kaiser Joseph II., in: Mitteilungen des Österreichischen Instituts für Geschichtsforschung, Ergän-
zungsband 11, Innsbruck 1929, S. 650–661, hier S. 654–655.
48 C. Kemp, Angewandte Emblematik in süddeutschen Barockkirchen (Kunstwissenschaftliche Studien, 53),
München/Berlin 1981, S. 203, 223, 296, Nr. 76(N) 5, 101.24 und 196.3.
49 I. Schemper-Sparholz, Das Münzbildnis als kritische Form in der höfischen Porträtplastik des 18. Jahrhunderts in
Wien, in: Jahrbuch der kunsthistorischen Sammlungen in Wien, 92, 1996, S. 165–188, hier S. 188.
11: Wien, Kapuzinergruft, Prunksarkophag für Maria
Theresia und Franz Stephan von Balthasar Ferdinand Moll,
1754, Detail: Frontalansicht
Wiener Jahrbuch für Kunstgeschichte
Volume LIX
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Wiener Jahrbuch für Kunstgeschichte
- Volume
- LIX
- Editor
- Bundesdenkmalamt Wien
- Institut für Kunstgeschichte der Universität Wien
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2011
- Language
- German, English
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78674-0
- Size
- 19.0 x 26.2 cm
- Pages
- 280
- Keywords
- research, baroque art, methodology, modern art, medieval art, historiography, Baraock, Methodolgiem, Kunst, Wien
- Category
- Kunst und Kultur