Page - 117 - in Wiener Jahrbuch für Kunstgeschichte, Volume LIX
Image of the Page - 117 -
Text of the Page - 117 -
,hier wird einmal gutt ruhen seyn‘ 117
Portrait, die Zeit ergreift dasselbe, um es dem Ge-
nius aus den Händen zu reissen, der erzörnte Ad-
ler aber suchet solche (sic!) zu verhindern, und die
Zeit zu stürzen. Ober der großen Pyramide war die
Sonne, in welcher des Verstorbenen Seel mit Lorbeer
gekrönet, in Triumphwagen auf den Gewölck von
zweyen Adlern gezogen fahret, ober dieser schwebte
ein Genius, welcher in der lincken Hand den Ster-
nenkranz haltend, und mit der rechten die Seel des
Verstorbenen ergriffe, und selbe zur Belohnung in
die ewige Glori führet. [...]. Die Beschreibung ist
in mehrere Hinsicht bemerkenswert: Zum ei-
nen wird das Thema des Kampfes zwischen (ir-
discher) Zeit und Ewigkeit angesprochen. Zum
anderen besitzt der Genius eine besondere in-
haltliche Bedeutung, da er Chronos gegenüber
als Sieger hervorgeht und auf der Spitze der Py-
ramide mit einem Sternenkranz (!) in der Hand
den Ewigkeitsanspruch in eine Glorie überführt.
Diesen Sieg des Genius über die Zeit dürfte man
bis in Details von den Trauergerüsten für Kaiser
Leopold I.59 übernommen haben.
Der Sarkophag als Motiv rückte in den
Medaillenprägungen der Habsburger in der
zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts vermehrt in
das Zentrum der Aufmerksamkeit: Medaillen
auf den Tod von Franz Stephan, Maria Theresia
(† 1780)60 und Leopold II. († 1792) lassen etwa
den Sarkophag von trauernden Figuren umste-
hen. Bei Kaiser Leopold II. wird der Sarkophag
zudem von einem Sternenkranz bekrönt, und
bei Franz Stephan ist das Profilbild des Verstor-
benen im Palm- und Lorbeerkranz an der Spitze
des Obelisken angebracht. Die Titelvignetten
der Trauerpredigten auf Franz Stephan (1765)
zeigen interessanterweise durchwegs eine Re-
zeption des Sarkophagtypus Molls – einerseits
durch die Integration von Eckfiguren, ande- rerseits in der stereotypen Verwendung des den
Sarkophag bekrönenden Genius mit lorbeerum-
kränzter Tuba und Sternenkranz, wie dies etwa
in der „Trauer- und Lobrede auf Franciscum
den Ersten“ von Edmundus Friz deutlich wird.61
Offensichtlich dürften der 1754 fertiggestellte
Sarkophag und die darin manifeste Bedeutung
59 Z.B. „Castrum doloris“ für Kaiser Leopold I., 1705 (Wien, St. Augustin), vgl. J. Schumann, Die andere Sonne.
Kaiserbild und Medienstrategien im Zeitalter Leopolds I. (Colloquia Augustana, 17), Berlin 2003, S. 277–278, Abb.
23.
60 Wurzbach-Tannenberg, Katalog (zit. Anm. 36), 2, S. 966, Nr. 6040 (Revers).
61 Titelvignette. 15: Epitaphia ac Series annorum natalis et obitus corporum
Augg. Regg. et Sereniss. Personarum e domo Austriaca in
Mausoleo caesareo, Titelblatt, Wien 1763
Wiener Jahrbuch für Kunstgeschichte
Volume LIX
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Wiener Jahrbuch für Kunstgeschichte
- Volume
- LIX
- Editor
- Bundesdenkmalamt Wien
- Institut für Kunstgeschichte der Universität Wien
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2011
- Language
- German, English
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78674-0
- Size
- 19.0 x 26.2 cm
- Pages
- 280
- Keywords
- research, baroque art, methodology, modern art, medieval art, historiography, Baraock, Methodolgiem, Kunst, Wien
- Category
- Kunst und Kultur