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Kunst und Kultur
Wiener Jahrbuch für Kunstgeschichte, Volume LIX
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Werner Telesko124 Die Rezeption von Molls Grabmal – etwa im Castrum doloris für Franz Stephan – zeigt, daß die Koexistenz von stoischer Philosophie und Katholizismus, die als kennzeichnend für die österreichische Frühaufklärung bezeichnet werden kann,80 keineswegs bruchlos realisiert werden konnte. Nicht ohne Grund warnte zur gleichen Zeit Diderot vor jedem ästhetischen Synkretismus, der Formen und Typen des Chris- tentums mit jenen der Antike vermischt.81 Cha- rakteristisch für diese sensible Bruchstelle iko- nographischer Synthetisierung ist, daß etwa auf der Medaille auf den Einzug Franz Stephans zur Kaiserkrönung in Frankfurt (1745)82 am Revers der Typus des antiken Adventus mit dem bekrö- nenden hebräischen Tetragramm in einer unge- wöhnlichen Mischung kombiniert wird (Abb. 23). Diese beiden grundlegenden Traditions- stränge, Antike und Christentum, nicht nur zu einer symbolisch stimmigen, sondern vor allem zu einer aus dem visuellen Potential des Sarko- phags geschaffenen neuen Einheit zu verbinden, war letztlich eine gewaltige Herausforderung für den Bildhauer. Dies umso mehr, als Staat, Dynastie und Religion zunehmend spezifische Formen der Repräsentation finden mußten, die nicht mehr bruchlos in eine übergeordnete Ein- heit übergeführt werden konnten. Die abneh- mende Bedeutung religiös geprägter Staatsrituale hatte zwangsweise den Verlust der Signifikanz ei- nes prägenden Identifikationsrahmens zur Folge. Molls Sarkophag als Zeichen des Strebens nach einer neuen Art von Synthese macht die zuneh- mende Brüchigkeit einheitlicher Konzeptionen umso deutlicher. Erst in der Kombination unterschiedlicher Ansichten entfaltet sich die gewaltige formale und inhaltliche Dynamik des Sarkophags: Die künstlerisch raffiniert visualisierte Prozesshaftig- keit der Handlungen des Kaiserpaares wird mit Hilfe traditionsmächtiger Attribute (Szepter, Posaune und Krone) zugleich auf die Ebene der Zuständlichkeit übergeführt, die geeignet ist, Brücken zu traditionellen Medien der Reprä- sentation – wie etwa der Medaillenkunst – zu schlagen. Letztlich wird in der von Moll so raf- finiert vertretenen Mehransichtigkeit so etwas wie eine Totalität unterschiedlicher „Bilder“ und Prädikate des Herrscherpaares angestrebt – eine neuartige Spiegelung der multiplen Präsenzen des Kaisers und seiner Gemahlin, die nach dem Frieden von Aachen (1748) auch die erfolgreich verteidigte Dynastie anzeigen sollte.83 Diese Ver- einigung einer Fülle von plastischen Gattungen unterschiedlichster Art am Sarkophag in Gestalt von Reliefs, Büsten und Vollfiguren, die darin andere Medien der Herrscherrepräsentation re- zipiert, liefert somit letztlich den Stoff, aus dem 80 D. Beales, Enlightenment and Reform in Eighteenth-century Europe, London/New York 2005, S. 60–89 („Chris- tians and ‚Philosophes‘: The Case of the Austrian Enlightenment“). 81 Vgl. M. Schieder, Jenseits der Aufklärung. Die religiöse Malerei im ausgehenden Ancien régime (Berliner Schriften zur Kunst, 9), Berlin 1997, S. 51 (mit Quellenangaben). 82 Probszt-Ohstorff, Schau- und Denkmünzen (zit. Anm. 36), Nr. 54. – Wurzbach-Tannenberg, Katalog (zit. Anm. 36), 1, S. 371, Nr. 2319. 83 Sichtbarster Ausdruck einer – an der „Aeneis“ orientierten – Huldigung auf Maria Th eresias als Retterin der Dy- nastie ist Ladislaus Csapodis „Theresias“ des Jahres 1746 (gedruckt 1750 in Tyrnau), vgl. E. Klecker, Tradition und Moderne im Dienst des Herrscherlobes. Beispiele lateinischer Panegyrik für Maria Theresia, in: F. M. Eybl (Hrsg.), Strukturwandel kultureller Praxis. Beiträge zu einer kulturwissenschaftlichen Sicht des theresianischen Zeit- alters (Jahrbuch der Österreichischen Gesellschaft zur Erforschung des 18. Jahrhunderts, 17, 2002), Wien 2002, S. 233–247. – dies., Maria Theresia und Aeneas. Vergilrezeption zur Bewältigung der weiblichen Erbfolge, in: Camœnæ Hungaricæ, 2, 2005, S. 111–126. Besondere Bedeutung hinsichtlich der Bewahrung der gefährdeten Dynastie kommt zwei Passagen in der Inschrift Maria Theresias am Prunksarkophag (Hawlik-van der Water, Kapuzinergruft (zit. Anm. 16), S. 155) zu: PATERNA REGNA CONTRA HOSTES POTENTISS. ADSERVIT und ROM. IMPERII MAIESTATEM DOMVI SVAE RESTITVIT.
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Wiener Jahrbuch für Kunstgeschichte Volume LIX
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Title
Wiener Jahrbuch für Kunstgeschichte
Volume
LIX
Editor
Bundesdenkmalamt Wien
Institut für Kunstgeschichte der Universität Wien
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2011
Language
German, English
License
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-78674-0
Size
19.0 x 26.2 cm
Pages
280
Keywords
research, baroque art, methodology, modern art, medieval art, historiography, Baraock, Methodolgiem, Kunst, Wien
Category
Kunst und Kultur
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