Page - 130 - in Wiener Jahrbuch für Kunstgeschichte, Volume LIX
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walter jürgen
Hofmann130
insgesamt kennzeichnen wird, schlägt die Verglei-
chung bereits dort, wo die Dotation das Schloß
ins Leben ruft, den Tenor jener Einigkeit an, die
zu seiner Hauptallegorie werden soll. Wirklich
ist Concordia am „mittelsten Ort“ (Sandrart)
der Hauptraumfolge personifiziert (Abb. 1) und
erscheint im Aufblick oberhalb des zentralen
Ovalvestibüls, wo sie auf dem erhöhten Zielbild des Treppenausstiegs Lothar Franz, der in der
ihm opportunen Bedeutungsgestalt eines „Her-
cules Imperii“ vor Augen tritt, mit den Goldäp-
feln der Hesperiden „dotiert“ (Abb. 2).10 Von hier
aus wird Concordia den Sinngehalt des ganzen
Schloßbezirkes erschaffen und auf vielfältigste
Weise durchwirken.
ii
Diese Einsicht führt auf die Vermutung, daß das
Dotationsdekret wie in einer sprachlichen Sym-
biose zusammen mit seiner dokumentarischen
Wörtlichkeit noch an einer anderen Semantik
teilhat. Sie äußert sich durch einen im Wortschatz
aufzuspürenden Subtext, der als eine Art Hyper-
text zu verstehen wäre und sich erst einer zweiten,
darauf ausgerichteten und eingestellten Lektüre zu
erkennen gäbe. In der Tat stößt eine solche hinter-
gründige Lesung auf ein Idiom, dem in Einklang
mit seinem Wortsinn noch eine allusiv verwei-
sende, allegorische Bedeutung einbeschrieben ist.
Unter dem suchenden Blick ikonologischer Signi-
fikanz redet das Dekret selber allegorisch. Eine dis-
simulierte, in seiner Sprache insgeheim anwesende
Sinnschicht kommt zum Vorschein, der eine alle-
gorische Lesart inhärent ist und die daher vermag,
noch unerschlossene Gehalte der Bildwelt Pom-
mersfeldens aufzudecken und aufzuschlüsseln. Ehe es um die Dotation und ihre Modalitä-
ten geht, hat Karl seinen Königl: Böhmi (schen):
Bottschaftern und gesanten, die mit ihrer aigen-
händigen unterschrifft urkunden,11 Vorläufig al-
lergnädigsten befehl und Vollmacht ertheilet,…Sr:
Churfürstl: gnad(en): nach Vollstendhter Waahl,
dero Königl: dankhnehmigkeit durch ein würkhli-
ches Kennzeichen Zu Versicheren. Die Dotation ist
dieses Kennzeichen königlicher Dankbarkeit, die
mit der Krönung Karls VI. am 22. Dezember 1711
in Frankfurt, die ebenfalls Lothar Franz zelebrier-
te, zu einer kaiserlichen aufstieg. Für den Schloß-
bau mit seiner Bezugnahme auf die allegorischen
Implikationen dieser Investitur war dadurch alles
bereitet und so weit gediehen, um ihn ins Werk
zu setzen. Die Zahlung der Belohnung hatte in
drey terminen zu erfolgen und war vom Kaiser
aus deren aerario baar zu entrichten. Die Fristen
für die Teilbeträge sind so gelegt, als korrespon-
erfreuete Teutonie“, den Untertitel „Eine Geschichts = schrifft von dem Teutschen Friedensvergleich“, Nürnberg
1652.
10 Hofmann, In campis pomeranicis (zit. Anm. 4), S. 131–132 und Abb. 3, S. 242.
11 Zur Delegation des Königreiches Böhmen, die bei den Frankfurter Wahlverhandlungen die Interessen Karls wahr-
nahm, gehörten Ernst Friedrich Graf Windischgrätz, Wenzel Norbert Graf Kinsky und Kaspar Florentin Freiherr
von Consbruch, deren Unterschriften unter dem Dotationsdekret stehen. Windischgrätz machte am Wiener Hof
Karriere und war vor seinem großen Aufstieg in der früheren Regierungszeit Karls VI. seit 1701 österreichischer
Direktorialgesandter am Regensburger Reichstag, ehe er 1709 Wiener Konferenzminister wurde, in welcher Ei-
genschaft er die böhmische Wahlgesandtschaft leitete (Hantsch, Reichsvizekanzler (zit. Anm. 5), S. 171). Kinsky
zählte zum Kreis der Berater am Kaiserhof und wurde dann von Karl VI. häufiger zu Konferenzen hinzugezogen
(Hantsch, Reichsvizekanzler (zit. Anm. 5), S. 202). Consbruch, der bereits 1712 starb, stand seit 1706 in Beziehung
zu Lothar Franz, als er Sekretär der deutschen Expedition an der Reichshofkanzlei war, wo er 1707 zum Reichshofrat
avancierte (Schröcker, Schönborn (zit. Anm. 5), S. 41, Anm. 48 und Register unter Stichwort, S. 141; sowie A.
Schröcker, Die Patronage des Lothar Franz von Schönborn (1655–1729), Wiesbaden 1981, S. 164).
Wiener Jahrbuch für Kunstgeschichte
Volume LIX
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Wiener Jahrbuch für Kunstgeschichte
- Volume
- LIX
- Editor
- Bundesdenkmalamt Wien
- Institut für Kunstgeschichte der Universität Wien
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2011
- Language
- German, English
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78674-0
- Size
- 19.0 x 26.2 cm
- Pages
- 280
- Keywords
- research, baroque art, methodology, modern art, medieval art, historiography, Baraock, Methodolgiem, Kunst, Wien
- Category
- Kunst und Kultur