Page - 146 - in Wiener Jahrbuch für Kunstgeschichte, Volume LIX
Image of the Page - 146 -
Text of the Page - 146 -
walter jürgen
Hofmann146
erfolgreich aus den Unterschlagungen des Gallus
Jacob einklagte, und schreibt stets von dem ge-
fundenen schatz.71 Jene Riesensummen zeitigten
den glückhlichen ausschlag, aufgrund dessen das
fränkische Herzogsschloß zu seiner Riesengröße
aufwachsen konnte. In Pommersfelden stimmt
die Anverwandlung Merkurs zum Schatzbringer
bestens zu seinem eigentlichen Geschäft, für die
bezeigung der kaiserlichen dankhnehmigkeit die
reichsten Belohnungen zu besorgen. Erstaunlich
bleibt, wie umstandslos das vorgegebene Bild
sich insgesamt der Umdeutung in einen ikonolo-
gisch völlig anderen Zusammenhang fügte.
Das Trabantenfresko Rottmayrs ist die oberste
Etage dieses Bildaufzugs.72 Glanzverbreitend stellt
sich die Personifikation von Sapientia in Positur
und hält statt ihrer obligaten Beigabe, einer bren-
nenden Lampe,73 den Caduceus im Arm. Nach
Pommersfeldener Allegorik verstanden, wird er
nicht bloß wie gewohnt „Pax et Sapientia“, son-
dern noch dazu „Fried und Eintracht“ bedeuten.
Das Hauptattribut Merkurs ist auf Sapientia über-
gegangen und kündet davon, daß unter der Herr-
schaft eines „weisen“ Kaisers und im Zeichen der
Eintracht, wie sie zwischen dem Oberhaupt des
Reiches und seinen Gliedern entstanden ist, eine
neue aetas aurea von Glück und Frieden nicht nur
für das neue Schloß heraufziehen möge.
An den übrigen zwei Schauplätzen, an denen
Merkur auftrat, schieben sich allegorische Sicht-
weisen in den Vordergrund, die Aspekte seiner
Teilhabe an Fama chiara thematisieren. Über
dem Haupteingang zum Saal hing im Großfor-
mat der „Goldenen Zeit“ ein Gemälde Benedet-
to Lutis, das laut Byß zeigte, „Wie Mercurius den
Cupido nebst der Venus die freye Künste lehret“ (Abb. 8).74 In der Rolle des Kunstlehrers findet
der Götterbote seine sublimste Personifizierung,
und er läßt die geistigste Epiphanie von Fama
chiara gegenwärtig werden. Nach antiker Über-
lieferung, die Cäsar verbürgte, wurde Merkur für
den „Inventore degli belli arti“ angesehen.75 Daß
Venus als seine Schülerin erscheint, alludiert auf
Elisabeth Christina und lenkt hinüber auf ihre
„Seite der Kaiserin“. Indem die Göttin der Liebe
und der Schönheit sich derart selber zur Künstle-
rin bildet, ersteht ein Sinnbezug zum Goldenen
Zeitalter mit seiner Akme der Künste. Venus hat
Cupido seinen Bogen weggenommen, und der
entwaffnete Liebesbote wird zum aufgewecktesten
Kunsteleven. Die göttlich informierte Schönheit
der Kunst übertrifft und überhöht die sinnliche
Schönheit der Liebe. Ihre Grundlage, wie sie der
Götterbote unterrichtet, ist eine göttliche Lehre
des Rechten, der jedes Kunstwerk nacheifert, die
aber jedes zugleich weitergibt. Im Trabantenbild
agiert daher die Allegorie der Justitia.76
Abgewandelt ins Ethische und Moralische,
verwies das mittlere Gemälde der Fensterwand
gegenüber auf eine weitere Sinnschicht der Al-
legorie von Fama chiara. Wegen der durchge-
henden, nicht zu unterbrechenden Abfolge der
Fenster war kein Platz für eine Riesenleinwand,
so daß das Mittelbild nur durch seine ikonolo-
gische Prominenz aus der Reihe gleichgroßer
Breitformate hervorgehoben und zur übergrei-
fenden Konzeption in Beziehung gesetzt werden
konnte. Byß vermerkt dort ein Gemälde Anto-
nio Belluccis mit dem eigenartigen Sujet, „Wie
Mercurius die Jugend vom Laster zu der Tugend
führet.“77 Die Allusion auf den noch jungen
Kaiser war offenkundig, und sie kam an dieser
71 Q 692 und Q 693, beide vom 30. Januar 1720.
72 Hofmann, In campis pomeranicis (zit. Anm. 4), S. 135–136 und S. 250, Abb. 21.
73 Ripa, Iconologia (zit. Anm. 60), S. 441.
74 Byss, Kat. (zit. Anm. 32), Marmorsaal Nr. 9. – Hofmann, In campis pomeranicis (zit. Anm. 4), S. 139 und S. 247,
Abb. 16.
75 Locus classicus ist Caesar, Gall. 6, 17: „Deorum maxime Mercurium colunt, […] hunc omnium inventorem artium
ferunt”.
76 Hofmann, In campis pomeranicis (zit. Anm. 4), S. 139 und S. 250, Abb. 22.
Wiener Jahrbuch für Kunstgeschichte
Volume LIX
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Wiener Jahrbuch für Kunstgeschichte
- Volume
- LIX
- Editor
- Bundesdenkmalamt Wien
- Institut für Kunstgeschichte der Universität Wien
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2011
- Language
- German, English
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78674-0
- Size
- 19.0 x 26.2 cm
- Pages
- 280
- Keywords
- research, baroque art, methodology, modern art, medieval art, historiography, Baraock, Methodolgiem, Kunst, Wien
- Category
- Kunst und Kultur