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der guten Mutter ... dem besten Vater 155
ben waren beliebte Gaben der Damen, während
die Herren selbstgejagtes Wildbret oder eigen-
händig gedrechselte Armbrustbolzen verschenk-
ten.8 Nachdem sich der Zeichenunterricht im
Unterrichtskanon des 18. Jahrhundert fest ver-
ankert hat, verdrängten die gezeichneten und ge-
malten Geschenke die praktischen Gaben.9 Eine
Zeitgenossin von Maria Theresia, Caroline Luise,
Markgräfin von Baden-Durlach (1723–1783), hat
nicht ohne Stolz ihre Werke verschenkt. Nach ei-
nem sehr professionellen Unterricht bei dem hes-
sischen Hofmaler Johann Christian Fiedler, dann
bei Jean-Etienne Liotard und beim Karlsruher
Hofmaler Joseph Melling wagte sie sich als eine
der wenigen adligen Dilettantinnen sogar an
die Ölmalerei heran. Die Empfänger ihrer Bil-
der beschränken sich nicht nur auf das familiäre
Umfeld, sondern sie beglückte auch ihren Lehrer
Liotard, den Kupferstecher Johann Georg Wille,
Baron Jacob von Häckel aus Frankfurt und gar
Voltaire, der sich mit einem charmanten Gedicht
bedankte, in dem er auf Knien jene Hände küßt,
die das Werk gezeichnet hatten.10
Diese individuellen Geschenke wurden vom
Empfänger hochgeschätzt, gab man doch qua-
si ein Stück seiner selbst – vergleichbar einem
Porträt oder gar einer Haarlocke, die quasi den
Status einer Körperreliquie erlangte. Gerade im
Zeitalter des sentimentalen Freundschaftskultes galten solche Geschenke als wertvollstes Freund-
schaftspfand.11 In der Habsburger Kaiserfamilie
kamen sicher noch andere Komponenten hinzu.
Die Bilder der Kinder waren auch ein Beleg für
ihre hervorragende Ausbildung und ihre indivi-
duellen Talente. Bei den mit einer Gala began-
genen Festtagen bot sich die beste Gelegenheit,
diese Talente zur Schau zu stellen, die Kinder
waren stets dazu angehalten, kleine Stücke auf-
zuführen, zu singen und zu musizieren, um ein
selbstsicheres Auftreten zu trainieren. So war es
auch geboten, keine „Kritzeleien“ als Geschenke
zu offerieren. Schon die Sechsjährigen übergeben
überraschend perfekte Bilder, bei denen sicher
oft der Zeichenlehrer nachgeholfen hatte. Eine
beliebte Möglichkeit für die jüngeren oder we-
niger Begabten waren Kupferstiche, die man aus-
malte, doch auch hier gelingt den Kindern das
Kolorieren mit Wasserfarben wesentlich besser,
als man es ihrem Alter entsprechend erwarten
würde.
Die Bilder sind auch ein gewisser Beschei-
denheitsgestus, denn man protzte nicht mit teu-
ren Geschenken. Schon gar nicht die Kinder soll-
ten Geld ausgeben, sondern etwas selbst machen.
Aber auch die Erwachsenen hielten sich an dieses
Konzept, allerdings macht sich hier deutlich eine
Geschlechterdifferenz bemerkbar. Die männ-
lichen Habsburger haben das Zeichnen und
8 I. Ludolphy, Friedrich der Weise von Sachsen (1463–1525), Göttingen 1982, S. 78 zu Friedrich Drechselarbeiten als
Geschenk; I. Gundermann, Herzogin Dorothea von Preußen (1504–1547), Köln 1965, S. 137 zu deren Geschen-
ken; K. Merkel, Grabplatten und Gewürzküchlein. Kaspar Nützel als Mittler zwischen Kardinal Albrecht von
Brandenburg und der Nürnberger Bronzekünstlerfamilie Vischer; in: B. Brinkmann/W. Schmidt (Hrsg.), Hans
Holbein und der Wandel in der Kunst des frühen 16. Jahrhunderts (Akten des Passavant-Colloquiums), Frankfurt
2003, S. 181–190 zu Leckerein einer Nürnberger Patrizierin.
9 Zur Ausbildung der adligen Mädchen siehe G. Greer, Das unterdrückte Talent. Die Rolle der Frauen in der bilden-
den Kunst, Berlin/Frankfurt/Wien 1980, S. 280–291; H. Wunder, „Er ist die Sonn´, sie ist der Mond. Frauen in der
Frühen Neuzeit, München 1992, S. 145–154; K. Merkel/H. Wunder (Hrsg.), Deutsche Frauen der Frühen Neuzeit.
Dichterinnen, Malerinnen, Mäzeninnen, Darmstadt 2000, S. 12–17.
10 J. Lauts, Karoline Luise von Baden. Ein Lebensbild aus der Zeit der Aufklärung, Karlsruhe 1980, S. 13, 130–136, 183,
186.
11 A. von Dülmen (Hrsg.), Frauenleben im 18. Jahrhundert, München 1992, S. 224 zu einem schlecht gestrickten
Strumpf als Freundschaftspfand im Jahr 1798. Das Phänomen, das man die Aura einer Person in dem von ihr ge-
machten Geschenk gespeichert fand, gab es schon in der Spätantike, vgl. F. A. Bauer, Gabe und Person. Geschenke
als Träger personaler Aura in der Spätantike (Eichstätter Universitätsreden, Bd. 119), Eichstätt 2009.
Wiener Jahrbuch für Kunstgeschichte
Volume LIX
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Wiener Jahrbuch für Kunstgeschichte
- Volume
- LIX
- Editor
- Bundesdenkmalamt Wien
- Institut für Kunstgeschichte der Universität Wien
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2011
- Language
- German, English
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78674-0
- Size
- 19.0 x 26.2 cm
- Pages
- 280
- Keywords
- research, baroque art, methodology, modern art, medieval art, historiography, Baraock, Methodolgiem, Kunst, Wien
- Category
- Kunst und Kultur