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der guten Mutter ... dem besten Vater 163
Kleine Anlagen wie Verse aus Hamlet bereicher-
ten die Briefe. Die von Franz sorgfältig aufbe-
wahrte Zeichnung könnte in einem der Briefe als
Geschenk mitgeschickt worden sein. Das Motiv
der Gottesmutter Maria ist von der jungen Würt-
tembergerin quasi ein optischer Beleg, daß Sie
definitiv katholisch geworden ist, akzeptierte sie
doch mit dem Bild eines der grundlegenden Ele-
mente aus dem katholischen Glaubensbekennt- nis. Sicher glaubte sie auch, mit diesem kleinen
Andachtsbild ihrem tief religiösen Franz eine
besondere Freude zu machen. Elisabeth starb
an den Folgen einer Frühgeburt. Die Bestattung
wurde noch von Joseph II. organisiert, der drei
Tage nach ihr starb. Franz mußte sich innerhalb
weniger Tage von seiner ersten Ehefrau, seinem
Onkel und seinem ersten Kind verabschieden.29
Die zweite Ehefrau: Maria Theresa
(6. Juni 1772–13. April 1807)
Die in Neapel aufgewachsene Tochter von
Maria Caroline, der dritten Tochter von Maria
Theresia, und König Ferdinand IV. von Neapel,
heiratete Franz I. am 19. September 1790 und
gebar ihm 12 Kinder, von denen die meisten
auch mit Begeisterung künstlerisch tätig waren.
Maria Theresas Werke sind im Gesamtbestand
der Habsburger Dilettanten sehr auffällig, weil
sie wie sonst nur ihre Tante Marie Christine
farbig malte, bevorzugt mit Gouache. Doch
sie ging noch weiter und komponierte eigene
kleinformatige Bilder, von denen zwei mit sehr
überzeugenden Selbstporträts hervorstechen,
eines davon (Abb. 6) war ein Geschenk für den
Kaiser.30 Die Qualität ihrer Bilder sowie ihre
Kompetenz, nicht nur abzumalen, sondern frei
zu arbeiten, basiert auf einer Unterrichtsphase
der zwölfjährigen bei Angelika Kauffmann, aber
auch auf der Bekanntschaft der achtzehnjährigen
mit Elisabeth Vigée-Lebrun und Johann Hein-
rich Wilhelm Tischbein, von denen beiden sie
porträtiert wurde.
In dem Wiener Bild steht die Kaiserin im
Halb profil vor einem geöffneten Fenster in ei-
nem weiß getäfelten Raum mit eingelegtem Par- kett und einem hellblau überzogenem Fauteuil,
dessen Stoff zu der Wandbespannung paßt. Der
Blick durch das Fenster öffnet sich auf eine Voll-
mondnacht, im Hintergrund ist eine mauerbe-
wehrte Stadt zu sehen, in der sich eine doppel-
türmige Kirche erhebt. Maria Theresa trägt ein
sehr modisches Kleid im Empire-Stil, unter der
Brust gegürtet und mit orangefarbenen Klee-
blättern auf schwarzem Grund. Farblich passend
sind die orangenfarbenen Schuhe und der Kasch-
mirschal ausgewählt. Mit ihrer linken Hand
klemmt sie etwas unmotiviert ein Tuch an die
Hüfte. Ihre hellbraunen Haare sind locker über
der Stirn zusammengesteckt. Wie gut sich die
Kaiserin selbst getroffen hat, macht ein Vergleich
mit einem Porträt von Elisabeth Vigée-Lebrun
deutlich.31 Es entstand als Brautwerbung, mit der
ihre Mutter Maria Carolina sehr erfolgreich nach
Wien reiste. Dazu äußert sich Elisabeth Vigée-
Lebrun selbst in ihren Memoiren: Der Gesandte
Frankreichs, Baron de Talleyrand, zeigt mir eines
Morgens an, die Königin von Neapel wünsche die
Porträts ihrer beiden ältesten Töchter von mir ge-
malt zu haben, die ich denn auch gleich in Angriff
nahm. Ihre Majestät schickte sich an, nach Wien
29 Pangels, Kinder Maria Theresias (zit. Anm. 13), S. 158–159.
30 In der ÖNB wird außerdem ihr Malkasten aufbewahrt, in dem sich scherenschnittartige Profilbildnisse verschiede-
ner Familienangehöriger befinden.
31 Elisabeth Vigée-Lebrun, Maria Theresia, Neapel, Museo Capodimonte, 1790.
Wiener Jahrbuch für Kunstgeschichte
Volume LIX
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Wiener Jahrbuch für Kunstgeschichte
- Volume
- LIX
- Editor
- Bundesdenkmalamt Wien
- Institut für Kunstgeschichte der Universität Wien
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2011
- Language
- German, English
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78674-0
- Size
- 19.0 x 26.2 cm
- Pages
- 280
- Keywords
- research, baroque art, methodology, modern art, medieval art, historiography, Baraock, Methodolgiem, Kunst, Wien
- Category
- Kunst und Kultur