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der guten Mutter ... dem besten Vater 165
Wenngleich sie auch die Stellung einer Hofma-
lerin ablehnte, so willigte sie doch ein, die Töch-
ter zu unterrichten. Die Töchter der neapolita-
nischen Königsfamilie sollten nicht nur malen
lernen, man wollte ihr Image als Künstlerinnen
auch repräsentieren. Das zeigt das Porträt von
Tischbein, in dem Maria Theresa eine Frauen-
büste zeichnet, die von ihrer Schwester Maria
Luisa Amalia mit einem Schleier geschmückt
wird. Die Büste selbst besitzt die Züge ihrer
Mutter, der Königin Maria Carolina.35 Die dritte
Schwester Maria Christina erscheint in einem wei-
teren Porträt von Vigée-Lebrun als Zeichnerin.36
Kaiserin Maria Theresa wirkt in ihrem Selbst-
porträt im Vergleich zu dem Bildnis von Vigée-
Lebrun deutlich hagerer und gealtert. Auch dazu
ist ein Kommentar von Vigée-Lebrun aufschluß-
reich, die die Kaiserin bei einem Aufenthalt in
Wien wiedertrifft: Ich wünschte mir, auch einen
großen Hofball mitzumachen, und erhielt dazu
eine Einladung. Kaiser Franz I. hatte in zweiter
Ehe Maria Theresia, Prinzessin beider Sizilien, die
Tochter der Königin von Neapel, geheiratet, die ich
im Jahre 1792 gemalt hatte, aber ich fand sie au-
ßerordentlich verändert und hatte Mühe, sie wie- derzuerkennen, als ich sie auf dem Ball sah. Ihre
Nase hatte sich verändert, die eingefallenen Wan-
gen machten sie ihrem Vater ähnlicher; ihretwegen
bedauerte ich, daß sie nicht die Züge ihrer Mutter
bewahrt hatte, die mich so sehr an unsere reizende
Könige von Frankreich erinnerte.37
Was läßt nun den Schluß zu, daß das kleine
Bild ein Geschenk gewesen sein könnte? Auf der
Fensterbank liegt ein Kissen, blau wie der Be-
zugsstoff von Wand und Fauteuil mit einem wei-
ßen Schriftfeld in der Mitte. Hier liest man die
emotionale Widmung Dem Mond fertraue ich die
Leiden der Abwesenheit. Sie bringt hier ihre Sehn-
sucht nach Franz zum Ausdruck, von dem sie
aufgrund seiner Herrscherpflichten oft getrennt
war. Die Tatsache, daß das Bild in der Sammlung
von Franz aufbewahrt wird, spricht dafür, daß
es sich um ein Geschenk der Kaiserin an ihren
Mann handelte. Die beiden führten eine durch-
weg harmonische Ehe.38 Maria Theresa war eine
lebensfrohe, temperamentvolle Halbitalienerin,
die auf den introvertierten Franz einen sehr po-
sitiven Einfluß ausübte. Leider ist das Bild nicht
datiert und man kann es mit keinem konkreten
Ereignis in Verbindung bringen.
Die Tochter Marie Luise
(12. Dezember 1791 in Wien; † 17. Dezember 1847)
Das Talent von Kaiserin Maria Theresa hat sich
direkt weiter an ihre Tochter Ludovika vererbt,
die um 1805 ihren Namen in Luise verwandelte39
und als Marie Louise 1810 Napoleon heiratete.
Von ihr sind zahlreiche Zeichnungen erhalten,
darunter zehn Geschenke aus den Jahren 1803 bis 1807, die hier chronologisch dargestellt wer-
den sollen. Alle Gaben galten ihren Eltern Maria
Theresa und Franz I.
Im Oktober 1803 sind die beiden ältesten
Zeichnungen (Abb. 7a, b) datiert, die junge
Künstlerin war erst 11 Jahre alt. Sie hatte die nette
35 Das Gemälde entstand 1790 und befindet sich heute in Privatbesitz; vgl. F. Mazzocca (Hrsg.), Viaggio in Italia di
una donna artista. I “Souvenirs” di Elisabeth Vigée Le Brun 1789–1792, Mailand 2004, S. 135.
36 1790 entstanden, Neapel, Museo di Capodimonte.
37 Von Mengden, Der Schönheit Malerin (zit. Anm. 32), S. 197; bei der Jahresangabe hat sich Vigée-Lebrun getäuscht,
sie malte das Bild 1790. Der Vergleich mit der französischen Königin Marie-Antoinette lag für sie nahe, war sie doch
vor der Revolution deren bevorzugte Malerin und sah deren Nichte nun mit sehr persönlichen Erinnerungen.
38 F. Weissensteiner, Frauen auf Habsburgs Thron. Die österreichischen Kaiserinnen 1804–1918, München 2001, S.
11–34, zur Beziehung zwischen Franz I. und Marie Theresa S. 23–26.
39 Vor 1805 signierte sie ihre Zeichnungen mit Ludovika, danach mit Luise.
Wiener Jahrbuch für Kunstgeschichte
Volume LIX
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Wiener Jahrbuch für Kunstgeschichte
- Volume
- LIX
- Editor
- Bundesdenkmalamt Wien
- Institut für Kunstgeschichte der Universität Wien
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2011
- Language
- German, English
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78674-0
- Size
- 19.0 x 26.2 cm
- Pages
- 280
- Keywords
- research, baroque art, methodology, modern art, medieval art, historiography, Baraock, Methodolgiem, Kunst, Wien
- Category
- Kunst und Kultur