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der guten Mutter ... dem besten Vater 177
malen hat vielleicht auch der Lehrer ein wenig
nachgeholfen.
Zwei identische Geschenke für Franz zeigen,
daß sich die Kinder untereinander nicht immer
perfekt absprachen oder daß die Zeichenleh-
rer unaufmerksam waren. 1811 erhält Franz zum
Geburtstag von der zehnjährigen Carolina einen
behelmten Männerkopf, im folgenden Jahr vom
gleichfalls zehnjährigen Franz Karl zum Namens-
tag noch einmal dasselbe Motiv, beide Male auf
blauem Papier. Die beiden Zeichnungen ver-
deutlichen, daß in einem bestimmten Alter die Kinder identische Bildvorlagen abzeichnen müs-
sen. Und für dieses Alter sind die Kopien ohne
Zweifel sehr gelungen. Carolina hat im August
1812 auf blauem Papier eine großformatige Zeich-
nung mit einem Frauenkopf gemacht (Abb. 20).
Wenn auch das genaue Datum nicht zu lesen ist,
dürfte es sich um ein Namenstagsgeschenk für
ihre Stiefmutter Ludovika handeln. Die beiden
Geschenke lassen das Talent der jungen Erzherzo-
gin nur erahnen, von der noch zahlreiche eigene
Kupferstiche und auch Zeichnungen nach Kup-
ferstichen berühmter Gemälde erhalten sind.63
Der Sohn Franz Karl
(17. Dezember 1802 – 8. März 1878)
Franz Karl gilt wie einige seiner Geschwister
als lernbehindert und entwickelte sich unter
der Obhut seiner jungen Stiefmutter langsam,
aber kontinuierlich. Wie sein älterer Bruder
Ferdinand war Franz Karl seiner Stiefmutter sehr
zugetan, was sich in seinen Geschenken spiegelt.
Der Sechsjährige widmete ihr zum Namens-
tag am 25. August 1808 einen kolorierten Kup-
ferstich. Das Motiv zeigt einen kleinen Jungen
auf einem Schaukelpferd. Die reformierte Kin-
derkleidung verweist wieder auf eine englische
Herkunft. Ludovika wurde an diesem Tag reich
beschenkt, erhielt sie doch schon zwei Bilder von
Ferdinand (Abb. 13, 14). Ein Jahr später schenk-
te Franz Karl am 12. Februar 1809 seinem Vater
zum Geburtstag einen kolorierten Kupferstich,
in dem eine Mutter ihre Kinder zu Bett bringt
und den Sohn noch kniend das Abendgebet ver-
richten lässt (Abb. 21). Auch dieses Bild passt gut
in die bevorzugten Motive mit Familienidyllen.
Am 14. Dezember 1809, dem Geburtstag
von Ludovika, datierte Franz Karl eine kolorier-
te Graphik, die einen kleinen Jungen mit einem
aufgeschlagenen Buch zeigt (Abb. 22). In diesem
Buch sind sehr sorgfältig winzige Zeilen einge-
klebt: Die gute Mutter sorgt zärtlich für uns / sie giebt uns weise Lehren – Erhöre uns o Gott! und
erhalte sie uns lange! Ob Franz Karl kurz vor sei-
nem siebten Geburtstag zu dieser bastlerischen
Meisterleistung in der Lage war, sei dahingestellt.
Idee und Ausführung sprechen eher für die Hilfe-
63 Zum Beispiel nach Raffael und Guido Reni. 21: Franz Karl, Abendgebet, kolorierte Graphik
(12. Februar 1809)
Wiener Jahrbuch für Kunstgeschichte
Volume LIX
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Wiener Jahrbuch für Kunstgeschichte
- Volume
- LIX
- Editor
- Bundesdenkmalamt Wien
- Institut für Kunstgeschichte der Universität Wien
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2011
- Language
- German, English
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78674-0
- Size
- 19.0 x 26.2 cm
- Pages
- 280
- Keywords
- research, baroque art, methodology, modern art, medieval art, historiography, Baraock, Methodolgiem, Kunst, Wien
- Category
- Kunst und Kultur