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Kunst und Kultur
Wiener Jahrbuch für Kunstgeschichte, Volume LIX
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Page - 221 - in Wiener Jahrbuch für Kunstgeschichte, Volume LIX

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BRIEFE von Johannes Wilde AUS wIEN, juni 1920 bis februar 1921 221 [20151/1979/31/54] [16. Juni 1920] Mittwoch, Nachm[ittag] 5 Liebe gute Zuhauser5 – ich bin schon hier. Mikula6 und Ernesta7 haben Besuch, so sitze ich alleine im kleinen hofseitigen Zimmer, wohin mal die eine oder der andere hinkommt. Meine lieben Freunde. Ernesta öffnete die Tür, er war gar nicht überrascht, sagte nur: endlich – und dachte ab nun nur daran, wie sich Mikula freu- en wird. M[ikula] sind die Tränen in die Augen gekommen. So ist die Freude unter ehrlichen Menschen. Die Reise verlief in Ordnung. Die Reisepässe wurden schon in Kelenföld8 durch einen ungari- schen und einen österreichischen Detektiv einge- sammelt (der Letztere hat 10 K[ronen] verlangt und hat meine ungarischen 2-Kronen-Stücke mitgenommen) und wurden noch vor Györ9 ab- gestempelt zurückgegeben. Die Zoll- und Geld- kontrolle gab es ebenfalls direkt nach Pest – bei- de sind bloß Formalitäten. Kurz nach ½ 4 ist der Zug angekommen, um ½ 5 war ich schon hier; die Gepäckstücke habe ich selbst mit der Stra- ßenbahn transportiert. Das Wetter ist seit Bruck [an der Leitha] kalt, regnerisch, aber während der Straßenbahnfahrt hat es aufgehört zu regnen. Es ist ganz gut, wenn es so bleibt und das heiße Wetter nicht bald wieder anfängt. – Ich weiß nicht, ob Mumisika10 am Vormittag nervös war – ich bitte sehr, Ihr alle Drei, schonen Sie sich, so daß wir auch diese letzte Etappe des Krieges in Gesundheit überleben. Ich wünsche mir immer nur, daß Sie Ihre Gesundheit behal- ten können, der Rest war uns nie wichtig, und auch Mumisika, wenn sie sieht, daß wir auch ohne können, daß unsere Wege uns leider weg- führen,11 wird sich beruhigen und macht uns da- mit glücklich. Dudó12 soll sich immer ausruhen, wenn er freie Zeit hat, soll nur die unbedingt nötigen Wege machen und drinnen auf meinem Diwan schlafen, dort ist die Nacht erträglicher. Tyumpika13 soll die Erkältung ohne Aufschub auskurieren, soll schlafen, spazieren gehen und lesen, soviel es geht – die Arme braucht jetzt eine Zeit lang keine Strümpfe zu kaufen. Mir ist noch nichts eingefallen, was ich zu Hause vergessen hätte, aber ich lebe in meinen Gedanken in jeder Hinsicht noch ganz zu Hau- se. Das kann nicht und wird auch nicht anders sein. Ich möchte diesen Brief sofort zur Post brin- gen. Mikula und Ernesta sind noch mit ihren Gästen beschäftigt – (Ernesta ist gerade mit einer Tasse Tee und zwei Scheiben Marmeladebeigel hereingekommen) – Tausend Küsse schickt den lieben Zuhausern Bundsi [17. Juni 1920] Donnerstag. Nachm[ittag] Gestern konnte ich weder den Brief noch ein Telegramm schicken, weil ich erfahren habe, daß die Post um 5 schließt. Wegen der Fortsetzung der Jause mußte ich doch reingehen. [18. Juni 1920] Freitag Früh Liebe Zuhauser, der Brief wurde auch gestern nicht fertig. Ich bin in so einem Ausmaß nicht Herr meiner Zeit, daß der Tag vorbei ist, bevor ich zu meinen Sachen komme. Ernesta ist jetzt 4 Archivnummer des Briefes in der Ungarischen Nationalgalerie in Budapest. 5 Johannes Wilde spricht seine in Budapest lebenden Mutter und Geschwister mit „Otthoniak“ an. Das Wort bedeu- tet „Zuhauser“ oder „Heimischer“ und klingt auch im Ungarischen seltsam. 6 Camilla Zeugswetter, Ehefrau Ernst von Gargers. 7 Ernst von Garger (1892–1948), Kunstgeschichtestudent. Wilde nennt ihn auch hinfort ‚Ernesta’. 8 Ein Vorort von Budapest. 9 Westungarische Stadt, liegt auf halbem Weg zwischen Budapest und Wien. 10 Mumisichen = Rosalia Wilde, Mutter. 11 Unklare Stelle. 12 Ferenc Wilde, Bruder; war zusammen mit Johannes während der Monate der ungarischen Räterepublik Mitglied der Kunstwerke sozialisierende Kommission. 13 Margit Wilde, Schwester.
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Wiener Jahrbuch für Kunstgeschichte Volume LIX
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Title
Wiener Jahrbuch für Kunstgeschichte
Volume
LIX
Editor
Bundesdenkmalamt Wien
Institut für Kunstgeschichte der Universität Wien
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2011
Language
German, English
License
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-78674-0
Size
19.0 x 26.2 cm
Pages
280
Keywords
research, baroque art, methodology, modern art, medieval art, historiography, Baraock, Methodolgiem, Kunst, Wien
Category
Kunst und Kultur
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