Page - 245 - in Wiener Jahrbuch für Kunstgeschichte, Volume LIX
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sedlmayr and schapiro correspond 245
so reagieren dürfen, wenn Sie mir sagen, dass
Sie kommunistisch sind: auch das ist ein Ang-
riff auf meine Lebenssphäre. – Ich glaube nicht,
dass Sie recht haben, den Unterschied zwis-
chen einem rassistischen und einen politischen
‘Antisemitismus’ (ein rassistischer terminus der
unberechtigt ist) nicht zuzugeben. Dieser Un-
terschied besteht zweifellos.
Ich glaube, dass sich die Judenfrage ganz
klar darstellen würde, wenn man ohne Ressenti-
ment, einfach einmal die soziologische Struktur
des Judentums als Gesamtheit in Betracht zie-
hen würde. Die Tatsache allein, dass die Juden
als Gemeinschaft einen Bauernstand als ‘Basis’
nicht hatten in den letzten Jahrhunderten, ver-
steht sich, (ich weiss sehr gut dass es vereinzelt
jüdische Bauern gibt, aber eben nicht in dem
Verhältnis wie bei den anderen Nationen,
zwischen denen sie leben) würde viel erklären
– meiner Meinung nach auch ihre ‘Prädestina-
tion’ für das ‘industrielle System’, mag es indivi-
duel – oder kollektiv-kapitalistisch sein.
Es ist nicht meine Absicht, Ihnen eine wei-
tere Diskussion zu oktroyieren – im Gegenteil.
Ich begrüsse es sehr, dass Sie in dem letzten Brief
wieder zu dem sachlichen Ton unserer früheren
Brief zurückgefunden haben. Einiges Affektive
klingt noch nach. Vor allem bin ich noch im-
mer nicht einverstanden mit der Art, wie ir-
rational diese ‘allgemeinen’ Fragen, von Ihnen
diskutiert werden – die so ganz abweicht, von
der Art, wie konkrete Probleme unserer Wis-
senschaft normalerweise erörtert wurden (Was
Sie auch diesmal wieder über ‘Bauern’ sagen ist einfach unakzeptabel und konfus). Ich schlage
Ihnen also vor, wieder zur Diskussion solcher
Probleme zurückzukehren, in denen wir besser
bewandert sind.40
In the next letter, dated 21 July 1934 (fig. 1a, 1b),
Sedlmayr continues to lurch between their ongo-
ing discussion of art history and political views.
About the latter Sedlmayr says: Ich habe Ihnen
gegenüber ein ungutes Gefühl, weil gewisse ‘ideolo-
gische’ Punkte zwischen uns nicht geklärt sind und
sich brieflich auch nicht leicht klären lassen; das
könnte einmal den Anschein der Unaufrichtigkeit
erwecken. Nehmen Sie also lieber zur Sicherheit an,
dass Sie es mit einem ‘ideologischen’ Gegner zu tun
haben.
He alludes to overtures from Schapiro that he
come to America (he says it is unlikely, that if he
had the money for travel he would rather go to
the Mediterranean), and praises the controver-
sial new introduction to Bachofen’s Mythus von
Orient und Occident written by Alfred Bäumler,
a chief Nazi ideologue at the University of Berlin
whose inaugural lecture in May 1933 concluded
with Bäumler leading students to the infamous
book burning.41 He also responds to Schapiro’s
suggestion that he read Dewey and summarizes
his view of the current state of art history:
Man kann die wirkenden Ideen hier vielleicht
auf drei Reduzieren: 1. Die ‘Strukturanalyse.’
Hier arbeiten hauptsächlich wir ‘jüngere Wi[e]
ner Schule’ (also fast ich allein) und die Russen.
Alpatoff schickt mir gerade die Untersuchung
40 He ends with references to books that interest him at the moment: Egon Brunswick’s ‘Wahrnehmung und Gegen-
standwelt’ and Pol Abraham on rationalism in Viollet-le-Duc. See also n. 56.
41 Zu den wenigen guten Dingen im Umfeld der Kunstgeschichte die ich in der letzten Zeit gelesen habe gehört die grosse Ein-
leitung von Bäumler zu Bachofens ‘Mythus von Orient und Occident.‘ The reference is to Alfred Bäumler, Bachofen,
der Mythologe der Romantik, Introduction to ‘Der Mythus von Orient und Occident. Eine Metaphysik der alten
Welt aus den Werken von J. J. Bachofen’, Munich 1926. Following upon this publication an ideological battle
erupted in Germany over Bachofen (1926–29). Walter Benjamin would, in a parallel effort to that of Thomas Mann,
attempt to “rescue myth from fascism” in his 1935 essay on Bachofen. On the Bachofen revival and its inspiration
to both right and left see J. Mali, The Reconciliation of Myth. Benjamin’s Homage to Bachofen, in: Journal of the
History of Ideas, 60, 1999, pp. 165–187.
Wiener Jahrbuch für Kunstgeschichte
Volume LIX
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Wiener Jahrbuch für Kunstgeschichte
- Volume
- LIX
- Editor
- Bundesdenkmalamt Wien
- Institut für Kunstgeschichte der Universität Wien
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2011
- Language
- German, English
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78674-0
- Size
- 19.0 x 26.2 cm
- Pages
- 280
- Keywords
- research, baroque art, methodology, modern art, medieval art, historiography, Baraock, Methodolgiem, Kunst, Wien
- Category
- Kunst und Kultur