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118 Hemma Mayrhofer
„(…) die Wirksamkeit von Sozialisationsinstanzen, die lebensgeschichtliche Konstitu-
ierung von Sinn und Bedeutung im vergangenen Lebensalltag in der Familie, der
Nachbarschaft, in den pädagogischen Institutionen und die daraus entstehenden subjek-
tiven Verarbeitungsformen (zu) analysieren (…)“ (Krüger 2006, S. 14).
Dies erlaubt auch über den Einzelfall hinaus relevante Erkenntnisse über
biografische Lern- und Bildungsprozesse (vgl. Bartmann/Tiefel 2008, S.
123).
Narrative Interviews basieren zentral auf retrospektiver, autobiografischer
Erzählung. Grundlegend für narrativ-biografische Forschungsansätze ist die
Annahme, dass Erzählungen – im Unterschied zu Beschreibungen und Ar-
gumentationen – am ehesten die Erfahrungs- und Orientierungsstrukturen des
tatsächlichen lebensgeschichtlichen Erlebens und Handelns reproduzieren,
d.h. durch Erzählung die größte Annäherung an Erlebnisse und Erfahrungen
in der Vergangenheit realisiert werden kann (vgl. Schütze 1984, S. 78f.;
Przyborski/Wohlrab-Sahr 2010, S. 93). Damit soll allerdings keine „Homo-
logiethese“ aufgestellt werden, wie sie bei Schütze stark anklingt, es ist viel-
mehr von beachtlichen Differenzen und zugleich vielfältigen Wechselwir-
kungen zwischen dem erlebten, erinnerten, und erzählten Leben auszugehen:
„(…) die Gegenwart des Erzählens oder biographischen Schreibens (bestimmt) den
Rückblick auf die Vergangenheit und erzeugt eine jeweils spezifische erinnerte Ver-
gangenheit.“ (Rosenthal 2010, S. 198)
Für die Nutzbarmachung eines narrativ-biografischen Forschungsansatzes in
der Wirkungsevaluation ist folgende, auf den Überlegungen von Winfried
Marotzki (2004; 2006) aufbauende Grundhypothese zentral: Wenn Ereignis-
sen in der Vergangenheit eine Bedeutung in der Gegenwart gegeben wird,
dann entfalten sie auch Wirkungen auf diese Gegenwart und die Zukunft. Im
Mittelpunkt steht somit die Frage danach, in welcher Weise die Erfahrungen
des Biografens bzw. der Biografin – im gegenständlichen Forschungsprojekt
insbesondere auch mit mobiler Jugendarbeit – in eine sinnstiftende Biografi-
sierung eingebunden sind und welche Wirkzusammenhänge sich daraus ab-
leiten lassen. Mit Biografisierung ist die „Form der bedeutungsordnenden,
sinnherstellenden Leistung des Subjekts in der Besinnung auf das eigene
Leben“ (Marotzki 2004, S. 179) bezeichnet.
Qualitative Biografieforschung stellt sich der Komplexität des Einzelfalls
und dessen individuellen Verarbeitungformen gesellschaftlicher und gemein-
schaftlicher Erfahrungen (vgl. ebd. 2004, S. 176f.). Im Forschungsdesign des
Projekts JA_SICHER verfolgte die Integration eines biografischen For-
schungsansatzes die Zielsetzung, die subjektiven Erfahrungen ehemaliger
NutzerInnen mit mobiler Jugendarbeit in der lebensgeschichtlichen Komple-
xität zu erschließen und die individuellen Verarbeitungsweisen von Ereignis-
sen und Interventionen sowie die damit verbundenen Lernprozesse – und
damit auch von Wirkungsweisen auf individueller Basis – zu rekonstruieren.
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Wirkungsevaluation mobiler Jugendarbeit
Methodische Zugänge und empirische Ergebnisse
- Title
- Wirkungsevaluation mobiler Jugendarbeit
- Subtitle
- Methodische Zugänge und empirische Ergebnisse
- Author
- Hemma Mayrhofer
- Publisher
- Verlag Barbara Budrich
- Location
- Wien
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-8474-1130-7
- Size
- 14.8 x 21.0 cm
- Pages
- 378
- Keywords
- Society & social sciences, Social services & welfare, criminology, Social welfare & social services, Social work
- Category
- Geisteswissenschaften