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128 Hemma Mayrhofer
Jugendlichen in gewissem Ausmaß geduldet (es wird aber auch eine Vertrei-
bung erzählt) oder aber gar nicht wahrgenommen zu haben. Die Peergroup
wurde zur Ressource, die sich in vereintem Engagement für die gemeinsame
Sache einsetzte, um dann im neuen ‚Zuhause‘ miteinander die Freizeit zu
verbringen. Der Biograf lässt Stolz auf das selbst Geschaffene erkennen.
Diese erst im späteren Interviewverlauf in die Lebenserzählung eingefügte
Erinnerung ermöglicht plötzlich einen positiven Bezug zur ersten Lebenspha-
se, mit der zunächst keine sinnhafte Identifikation erkennbar war, sie kann
nun in neuer oder veränderter Form in eine sinnstiftende Biografisierung
einbezogen werden. In ihr wird auch eine intergenerationelle Kontinuität
sichtbar, nämlich die Kontinuität des handwerklich selbst Geschaffenen:
Johann transportiert das organisierte Baumaterial für die Hütte mit einem
Fahrradanhänger, der – so erwähnt er – von seinem Großvater selbst ge-
schweißt worden war.
In diese Kontinuität fügt sich auch der Vater ein, handwerkliche Arbeit
wird als zumindest phasenweise verbindend erkennbar. Insgesamt lässt Jo-
hanns Selbstevaluation allerdings ein früh beginnendes und lange Zeit ver-
gebliches Ringen um Anerkennung durch den Vater sichtbar werden:
„Mei größter Kampf woar immer einfach nur, sein‘ Respekt mir mehr oder weniger zu
Erarbeiten. na? Beziehungsweise auch ab und zu einfach nur g'lobt zum werden, zu hö-
ren, herst des hast guat g'macht, Bua, oder herst, hat ma taugt. Hab‘ i nie g'hört.“ (NI1:
S. 13/Z21)
Die Erzählungen vermitteln den Eindruck eines andauernden Konkurrenz-
kampfes zwischen Vater und Sohn, wobei sich der Vater nicht in einer Vater-
rolle zu befinden, sondern seinen Sohn als Konkurrenten zu betrachten
schien. Er wurde nicht als fördernd erlebt, sondern als abwertend und gewalt-
tätig. Die problematische Beziehung zum Vater zieht sich als ambivalente
Kontinuität durch das Leben von Johann, die stark und schwach zugleich
macht. Das Bemühen um väterliche Anerkennung war einerseits Motivati-
onsquelle für große Leistungen bis zu Meistertiteln in einer asiatischen
Kampfsportart und wirkte so phasenweise anspornend, andererseits trug die
verwehrte Anerkennung zum Abbrechen von Entwicklungen bei – so wird
dieser Sport mit zwölf Jahren beendet, nachdem damit offensichtlich nicht
weiter die Aufmerksamkeit des Vaters zu gewinnen war. Die Suche nach der
Bewunderung des Vaters schien danach zu kippen in einen Kampf gegen ihn,
Aufbegehren und Zurückweisung der väterlichen Autorität werden als Be-
mühen um Erhalt eines positiven Selbstbezugs erkennbar. Die Phase der
frühen Jugend zeigt sich vom Kampf gegen den Vater geprägt, vom vergebli-
chen Versuch, sich von ihm emotional loszulösen. Die Mutter, die einmal als
„Ruhepol“ der Familie bezeichnet wird, und ein Bruder (er ist vermutlich
jünger, der Altersbezug zum Biografen wird allerdings im ganzen Gespräch
nicht thematisiert) rücken dabei völlig in den Hintergrund, sie werden nur am
Rande erwähnt.
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Wirkungsevaluation mobiler Jugendarbeit
Methodische Zugänge und empirische Ergebnisse
- Title
- Wirkungsevaluation mobiler Jugendarbeit
- Subtitle
- Methodische Zugänge und empirische Ergebnisse
- Author
- Hemma Mayrhofer
- Publisher
- Verlag Barbara Budrich
- Location
- Wien
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-8474-1130-7
- Size
- 14.8 x 21.0 cm
- Pages
- 378
- Keywords
- Society & social sciences, Social services & welfare, criminology, Social welfare & social services, Social work
- Category
- Geisteswissenschaften