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Forschungsstand | 9
sprochene Sprache eine eigene Syntax hat. Im Gegensatz dazu stellt sich der
vorliegende Beitrag die Frage nach der Form der syntaktischen Beschreibung,
zielt also auf eine Theorie der gesprochenen Syntax ab (vgl. Auer 2007: 95).
Auer formuliert drei zentrale Anforderungen an die adäquate Beschreibung
syntaktischer Einheiten in mündlichen Äußerungen: Erstens müsse die Tatsa-
che berücksichtigt werden, dass die Syntax gesprochener Sprache linear und in
Echtzeit erfolgt, während geschriebene Sprache zeitlich verzerrt und zweidi-
mensional vollzogen wird. Auer spricht in diesem Zusammenhang auch von der
so genannten „On-line-Syntax“ (Auer 2007: 126) mündlicher Äußerungen und
einer Theorie der „Inkrementellen Syntax“. Zweitens wird mündliche Kommu-
nikation dialogisch und kooperativ vollzogen. Eine Syntaxbeschreibung ge-
sprochener Sprache muss also dialogisch ausgerichtet sein und die „Ko-
Konstruktion syntaktischer Einheiten berücksichtigen“ (Auer 2007: 96). Drittens
verweist der Autor auf den hohen Zeit- und Handlungsdruck, unter dem Spre-
cher syntaktische Einheiten bilden, weshalb häufig bereits bestehende syntakti-
sche Muster herangezogen würden. Die Beschreibung dieses Inventars muster-
hafter syntaktischer Konstruktionen könne nicht anhand der traditionellen,
schriftbezogenen Grammatikbegriffe erfasst werden, sondern spreche für die
„Integration des Konstruktionsbegriffs der construction grammar [Anm. ML:
Hervorhebung im Original] in die Syntax der Gesprochenen Sprache“ (Auer
2007: 127). Auer plädiert daher dafür, die oben erwähnten konstruktionsgram-
matischen Ansätze in syntaktische Untersuchungen gesprochener Sprache
einzubeziehen.
Inwiefern Elemente der Construction grammar, der Interaktionalen Linguis-
tik oder des Nähe-Distanz-Modells nach Ágel/Hennig für die Beschreibung syn-
taktischer Besonderheiten in mündlicher Kommunikation Jugendlicher aus
Osttirol geeignet sind, wird in Kapitel 3.2. näher beleuchtet. Als erster Anhalts-
punkt für die theoretische Reflexion des Kategorieninventars zur Systematisie-
rung gesprochener Sprache kann in jedem Fall der Vorschlag Hennigs (2006: 8-
9) dienen, folgende drei Strategien der Kategorienbildung integrativ
anzuwenden:
1. Die Übernahme und Adaption bereits vorhandener Grammatikbegriffe,
2. die handlungs- und funktionsorientierte Reinterpretation bereits vorhande-
ner Grammatikbegriffe und
3. die Entwicklung spezifischer, aus den Grundbedingungen gesprochener
Sprache hergeleiteter Kategorien für eine eigene Grammatik der gesproche-
nen Sprache.
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Jugendkommunikation und Dialekt
Syntax gesprochener Sprache bei Jugendlichen in Osttirol
- Title
- Jugendkommunikation und Dialekt
- Subtitle
- Syntax gesprochener Sprache bei Jugendlichen in Osttirol
- Author
- Melanie Lenzhofer
- Publisher
- De Gruyter Open Ltd
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-050330-2
- Size
- 14.8 x 22.0 cm
- Pages
- 502
- Category
- Geographie, Land und Leute