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Sprachvariation und Alter | 57
der das Konzept prägende Begriff Varietät terminologisch abgesteckt werden
kann, fĂĽhrte in den vergangen Jahrzehnten zu verschiedenen Ansichten.72 In der
EinfĂĽhrung ihres Themenbandes zur sprachlichen Variation halten
Gilles/Scharloth/Ziegler (2010: 1) fest:
Weniger die Frage des Phänomenreichtums, d.h. der sprachlichen Variation, steht im Mit-
telpunkt, als vielmehr der Kampf um Begriffe und Konzepte und damit verbunden die
Frage, wie sich dieser Phänomenreichtum konzeptuell beherrschen lässt. Deutlich wird
diese Machtstrategie an der seit mehr als 20 Jahren anhaltenden Diskussion um den Varie-
tätenbegriff, der sich als zentraler Ordnungsbegriff zur Beschreibung sprachlicher Hetero-
genität etabliert hat.
Die Vielzahl der Definitionen des Begriffs Varietät ist in der Verschiedenheit der
eingenommenen Perspektiven begründet, die in drei Hauptströmungen zu-
sammengefasst werden kann: die Systematisierung nach a) systemlinguisti-
schen, b) soziolinguistischen oder c) psycholinguistischen Kriterien (vgl.
Gilles/Scharloth/Ziegler 2010: 12). Die unterschiedliche Begriffsmodellierung
zeigt sich u.a. auch in der Auffassung des Verhältnisses zwischen den Spre-
chergruppen und mit ihnen in Verbindung stehenden Varietäten. In Bezug auf
die Dialektgebundenheit einzelner Sprechergruppen aufgrund ihrer Sozialisati-
on in einer bestimmten Region wird davon ausgegangen, dass diese regionale
Varietät den Sprecher bzw. die Sprecherin dominiert, die Varietät erscheint „als
etwas Vorgegebenes, dem ein Sprecher sozusagen nicht entkommen kann“
(Linke 2010: 256). Andererseits können aber auch Sprecher/-innen bzw. Spre-
chergruppen einzelne Varietäten dominieren – dies wird v.a. in Bezug auf sozia-
le oder funktionale (z.B. fachsprachenbezogene) Variation deutlich. Hier „un-
terliegen“ die Sprecher/-innen nicht einer Varietät, sondern beherrschen sie,
verwenden sie in Kombination mit anderen Varietäten im Sinne einer kommu-
nikativen Ressource (vgl. Linke 2010: 256). FĂĽr ein Vorhaben, das sich mit Ju-
gendsprachen auseinandersetzt, ist wohl eher die zweitere Auffassung des Kon-
zepts Varietät zutreffend. Am ehesten geeignet scheint hier ein soziolinguistisch
orientierter und relativ weit gefasster Varietätenbegriff73 zu sein, wie ihn Berruto
(2004: 189; Hervorhebungen ML) folgendermaĂźen skizziert:
||
72 Eine ausführliche Auseinandersetzung mit der definitorischen Vielfalt des Varietätenbe-
griffs bietet Dovalil (2006) in seiner Dissertation zum „Sprachnormenwandel im geschriebenen
Deutsch an der Schwelle zum 21. Jahrhundert“.
73 Als Beispiel für eine enger gefasste, stärker systemlinguistisch orientierte Definition des
Varietätenbegriffs kann folgende Definition von Peter Auer genannt werden, der Varietät
bestimmt als „Menge interpretierter oder uninterpretierter stark kookkurrierender grammati-
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Jugendkommunikation und Dialekt
Syntax gesprochener Sprache bei Jugendlichen in Osttirol
- Title
- Jugendkommunikation und Dialekt
- Subtitle
- Syntax gesprochener Sprache bei Jugendlichen in Osttirol
- Author
- Melanie Lenzhofer
- Publisher
- De Gruyter Open Ltd
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-050330-2
- Size
- 14.8 x 22.0 cm
- Pages
- 502
- Category
- Geographie, Land und Leute