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Sprachvariation und Alter | 65
Schwerpunkte einer solchen ressourcenorientierten Herangehensweise84 liegen
im Beschreiben von Code-Mixing, von Stiltendenzen als Strategie zur Festigung
der Ingroup-Kommunikation, der Auseinandersetzung mit den Einstellungen
der Kommunikations-beteiligten zu ihrer eigenen Sprechweise oder der Kon-
struktion sozialer IdentitĂ€ten (vgl. u.a. Androutsopoulos 1998: 14). âDie Hypos-
tasierung einer VarietÀt 'Jugendsprache' wird zugunsten der Untersuchung von
gruppenspezifischen Sprechstilen aufgegebenâ, so Androutsopoulos (1998: 14).
Diese Stile konstituieren sich nicht allein durch sprachstrukturelle Merkmale,
sondern können auch nichtsprachliche Merkmale, âdie (Gruppen/Rollen von)
Personen, Textsorten, Medien etc. zugeschrieben werdenâ (Auer 1989: 29), um-
fassen.85
Der Ausdehnung (und drohenden Diffusion) des Stilbegriffs hÀlt Dovalil
(2010) eine Zweiteilung des Terminus in sozialer/kommunikativer Stil, der non-
verbale Kommunikation miteinschlieĂt und eher ethnographisch-
anthropologisch orientiert ist, und den Terminus des Sprachstils, der sich auf
âspezifische Gebrauchskontexte" (Dovalil 2010: 49) sprachlicher Mittel be-
schrĂ€nkt und dem linguistischen Diskurs vorbehalten ist, entgegen. Die âbe-
grifflichen AmbiguitÀten und Konflikte" (Dovalil 2010: 52) könnten also ent-
||
84 Als âsynthetische Perspektiveâ nennen Gilles/Scharloth/Ziegler (2010: 2) im Rahmen dieser
ressourcenorientierten Herangehensweise das Konzept der kommunikativen Praktiken, das es
erlaubt, âdie relative âVorgĂ€ngigkeitâ der Handlungsformen wie auch die Wahl der im Wissens-
repertoire der Sprecher und Sprecherinnen gespeicherten und gesellschaftlich geprÀgten
Handlungseinheiten sozialer Interaktion [âŠ] zu berĂŒcksichtigen.â Auch Linke (2010) sieht
Potential im Konzept der kommunikativen Praktiken, dies v.a. aus sprachhistorischer Perspek-
tive. Dem Hinweis Linkes, es könne die Notwendigkeit entstehen, âbei Untersuchungen zur
sozialen, situativen oder stilistischen Variation die Kategorie der kommunikativen Praktik
beziehungsweise Gattung auch dann zu berĂŒcksichtigen, wenn andere sprachliche RĂ€nge im
Fokus der Untersuchung stehenâ (Linke 2010: 264) ist durchaus zuzustimmen. Folgt man der
Definition des Begriffs kommunikative Praktik nach Fiehler et al. (2004: 100) als âabgrenzbare,
eigenstĂ€ndige kommunikative Einheiten, fĂŒr die ihre Zweckbezogenheit und Vorgeformtheit
konstitutiv sind und fĂŒr die es gesellschaftlich auch Bezeichnungen gibtâ, so ergibt sich aber
ein Widerspruch zur Beschreibung von Jugendkommunikation. Spontane Kommunikation
unter Jugendlichen zeichnet sich ja gerade dadurch aus, dass ihr interaktional-
kommunikativer Verlauf zu einem groĂen Teil nicht vorsehbar ist. In der Peer-group-
Kommunikation kann sich der Sprachgebrauch zwar mitunter an kommunikativen Praktiken
orientieren, Jugendkommunikation kann aber auch ĂŒber GesprĂ€chspassagen hinweg durch
eine Vielstimmigkeit, ein Durcheinanderreden, spontane Assoziationen und Wortspiele ge-
kennzeichnet sein (vgl. Neuland 2008: 163), ja sogar einen Selbstzweck als âaffektive Entlas-
tungâ (Neuland 2008: 162) erfĂŒllen.
85 Eine umfĂ€ngliche Erweiterung des Stilbegriffs, die auch auĂersprachliche, nonverbale
Mittel berĂŒcksichtigt, wird u.a. auch von Keim (2006) vorgenommen.
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Jugendkommunikation und Dialekt
Syntax gesprochener Sprache bei Jugendlichen in Osttirol
- Title
- Jugendkommunikation und Dialekt
- Subtitle
- Syntax gesprochener Sprache bei Jugendlichen in Osttirol
- Author
- Melanie Lenzhofer
- Publisher
- De Gruyter Open Ltd
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-050330-2
- Size
- 14.8 x 22.0 cm
- Pages
- 502
- Category
- Geographie, Land und Leute