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66 | Theoretische Voraussetzungen
schärft werden, „indem für den Stil-Begriff die engere Extension reserviert wür-
de, die sich auf die diaphasische Variation (und auf den Gebrauch) der Sprach-
mittel bezieht.“ (Dovalil 2010: 52).
Das Verhältnis zwischen Varietät und Stil lässt sich demnach dergestalt
skizzieren, dass ein Sprachstil Elemente einer, aber auch mehrerer verschiede-
ner Varietäten enthalten kann, sodass bspw. Elemente eines Soziolekts mit
jenen eines Dialekts kombiniert werden können, um eine bestimmte stilistische
Wirkung zu erzielen (vgl. Dovalil 2010: 50). „Allgemein gilt der Grundsatz:
Merkmale von Varietäten können als Eigenschaften von Stilen herangezogen
werden, nicht umgekehrt.“ (Dittmar 2009, 1670) Als relationale Kategorie86 auf-
gefasst, kann so das Zusammenspiel verschiedener Varietäten, Register und
Stile bzw. ihrer Merkmale linguistisch beschrieben werden. Zentral in Dovalils
begrifflicher Konzeption ist einerseits seine Auffassung von Sprachstil als Hy-
ponym zum Terminus Varietät (vgl. Dovalil 2010, 53)87 sowie andererseits der
Fokus auf die zentrale Rolle der Interaktion in der Stilbildung. Dovalil erwähnt
in diesem Zusammenhang die Tendenz gerade jugendlichen Sprachgebrauchs
zur Stilbastelei, in der Jugendsprachforschung auch Bricolage88 genannt, zur
spielerischen Kombination und Transformation sozialer und kultureller Res-
sourcen zu gruppenspezifischen stilistischen Eigenheiten, die durch interaktive
Prozesse der In-Group-Kommunikation möglich wird. In der Erforschung dieser
kommunikativen Stile und Bricolagen liegt der Schwerpunkt der methodischen
Herangehensweise dementsprechend auf Analysen authentischer Kommunika-
tion unter Jugendlichen, nicht etwa auf Erhebungen mittels soziolinguistischer
Interviews oder Fragebögen.89 Der sehr offene Stilbegriff wurde in der Jugend-
sprachforschung v.a. in ethnographisch, gesprächs-, diskurs- und kulturanaly-
tisch orientierten Arbeiten mit Termini wie Sprach- oder Sprechstil, Gesprächs-
stil, kommunikativer sozialer Stil, soziokultureller Stil, conversational style u.a.
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86 Vgl. Fiehler et al. (2004: 147): „Stil ist ein relationales Phänomen“, das immer dann auftritt,
„wenn – von den Kommunikationsbeteiligten und/oder einem externen Analytiker – eine
vergleichende Betrachtungsweise angewendet bzw. etwas auf der Folie oder vor dem Hinter-
grund alternativer Realisierungsmöglichkeiten wahrgenommen wird“ (Hervorhebungen im
Original).
87 Zum Verhältnis der Begriffe Varietät und Stil zueinander sei auch auf den Aufsatz von
Androutsopoulos/Spreckels (2010) verwiesen.
88 Das Konzept der Bricolage basiert auf den Ausführungen von Lévi-Strauss (1963) und Clar-
ke et al. (1975). Eine Zusammenfassung des Forschungsstandes zur Stilbastelei findet sich in
Galliker (2014: Kap. 2.3.).
89 Einen Überblick über gängige Methoden der Datenerhebung in der Jugendsprachforschung
bietet Neuland (2008: 4750).
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Jugendkommunikation und Dialekt
Syntax gesprochener Sprache bei Jugendlichen in Osttirol
- Title
- Jugendkommunikation und Dialekt
- Subtitle
- Syntax gesprochener Sprache bei Jugendlichen in Osttirol
- Author
- Melanie Lenzhofer
- Publisher
- De Gruyter Open Ltd
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-050330-2
- Size
- 14.8 x 22.0 cm
- Pages
- 502
- Category
- Geographie, Land und Leute