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Sprachvariation und Alter | 73
Kommunikation in der Familie (mit GroĂźeltern, Eltern, Geschwistern, (Ehe-)
Partnern)96 und mit Freunden an, während der Sprachgebrauch in formell-
offizielleren Situationen wie Amtsbesuchen in Städten, Gesprächen mit Vorge-
setzten, Lehrpersonen oder Unbekannten eher Richtung Standardsprache ten-
diert (vgl. Steinegger 1998: 100). Neben der Kommunikationssituation als wich-
tiges Kriterium dafür, ob der Dialekt als adäquate Varietät angesehen wird,
zeigen sich in der Einschätzung des Dialektgebrauchs Unterschiede nach Größe
des Wohnorts (GroĂźstadt vs. Kleingemeinde/Dorf; vgl. Steinegger 1998: 169)97,
aber auch eine generelle Ost-West-Differenz in der Häufigkeit des Dialektge-
brauchs. So ist Steinegger (1998: 201) zufolge in Tirol von einer sehr hohen Dia-
lektkompetenz (88,6%) auszugehen, es scheint sich hier die „Annahme eines
immer noch gefestigten Dialektgebietes in Westösterreich (v.a. Tirol und Vor-
arlberg)“ (Steinegger 1998: 203) zu bestätigen.98 Eine von Ender/Kaiser (2009)
durchgeführte Studie zum „Stellenwert von Dialekt und Standard im österrei-
chischen und Schweizer Alltag“ bestätigt im Großen und Ganzen diese Tenden-
zen. Die Autorinnen dieser Untersuchung fĂĽhrten eine Online-
Selbsteinschätzungsumfrage an insgesamt 230 Personen (99 Gewährspersonen
aus der Schweiz, 30 aus Vorarlberg und 82 aus dem restlichen Ă–sterreich)
durch. Trotz der hinsichtlich des Alters (Altersschnitt von 33 Jahren) und des
Bildungsgrades der Informant/-innen (83% verfĂĽgen ĂĽber Matura oder sogar
||
96 Interessanterweise zeigte sich hier, dass die Varietätenwahl im Kommunikationsverhalten
mit (kleinen) Kindern besonderen Regeln folgt. „Mit ihnen wird deutlich weniger Dialekt ge-
sprochen als mit allen anderen Familienmitgliedern“ (Steinegger 1998: 132). Diese Tendenz
erklärt sich der Autor der Studie durch einen „Erziehungsfaktor“, demzufolge die Eltern darauf
bedacht seien, ihre Kinder schon frĂĽh mit der Standardsprache vertraut zu machen, um ihnen
den Einstieg in die Schule zu erleichtern. Dialektale Sprechlagen wĂĽrden diese ohnehin auto-
matisch erwerben (vgl. Steinegger 1998: 135). Es sei allerdings einschränkend angemerkt, dass
diese Bevorzugung von Standard- oder zumindest Umgangssprache wiederum gewissen Unter-
schieden zwischen Stadt und Land sowie Ost- und West-Ă–sterreich unterliegt. FĂĽr Osttirol kann
festgehalten werden, dass auch in der Kommunikation mit Kindern in den meisten Familien
der Gebrauch der dialektalen bzw. regionalsprachlichen Varietät überwiegt.
97 Steinegger (1998: 375) hält u.a. fest, dass „bei zunehmend ländlicher Gegend auch die
Beurteilung der einzelnen Sprachsituationen und das entsprechende sprachliche Verhalten
einheitlicher wird. Diese Vereinheitlichung wird auf die zunehmende Dialektakzeptanz in einer
homogeneren Gesellschaft, wie sie am Land heute noch anzutreffen ist, zurückgeführt.“ Die
Grenze für dieses Stadt-Land-Gefälle setzt Steinegger bei einer Einwohnerzahl von 20.000
Einwohnern fest.
98 Die mit Abstand höchste Einschätzung des Dialektgebrauchs liegt für das alemannisch
geprägte Bundesland Vorarlberg vor: Den Umfrageergebnissen Steineggers (1998: 201) zufolge
sind 96,5% der befragten Vorarlberger als dialektkompetente Sprecher/-innen zu klassifizie-
ren.
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Jugendkommunikation und Dialekt
Syntax gesprochener Sprache bei Jugendlichen in Osttirol
- Title
- Jugendkommunikation und Dialekt
- Subtitle
- Syntax gesprochener Sprache bei Jugendlichen in Osttirol
- Author
- Melanie Lenzhofer
- Publisher
- De Gruyter Open Ltd
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-050330-2
- Size
- 14.8 x 22.0 cm
- Pages
- 502
- Category
- Geographie, Land und Leute