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76 | Theoretische Voraussetzungen
Kärntner Deutsch“ ist folgendes zu entnehmen: „Für den Kärntner Raum ist
charakteristisch, dass die bairische Kolonisation seit dem 8. Jahrhundert nicht
in einen leeren Raum vorstieß, sondern dass Kärnten bereits besiedelt war und
zwar vornehmlich durch Slawen.“ Teil des slawischen Fürstentums Karantanien
waren neben dem heutigen Kärnten und der Obersteiermark auch Osttirol und
der Lungau, der heute zu Salzburg gehört. Heinz-Dieter Pohl hält in seinen Aus-
führungen zum „Sprachkontakt in Kärnten“ (2009: 128) fest: „In Oberkärnten
(und Osttirol) ist das Slowenische erst im Laufe des 14. Jahrhunderts endgültig
verschwunden […].“ Dieser slawische Einfluss zeigt sich sprachlich v.a. im lexi-
kalischen Bereich, etwa in Siedlungs-102, Flur- und Hof- bzw. Familiennamen103
in Kärnten und Osttirol, bei Bezeichnungen für Werkzeuge aus dem bäuerlichen
Lebenskontext (z.B. Kraxe aus altslow. *krăšńa, stdt. 'Rückentrage', vgl. Pohl
2009: 129) oder in Entlehnungen im kulinarischen Bereich (z.B. Stran-
kerl/Strankele aus altslow. stră(n)k- 'Schote, Hülse', stdt. 'Fisole, grüne Bohne',
oder Potitze aus slow. potíca, stdt. 'Rollkuchen (aus Germ- bzw. Hefeteig').
Grammatische Interferenzphänomene scheinen dagegen weniger stark aus-
geprägt zu sein. Die wenigen Hinweise zu Einflüssen aus dem Slawischen auf
den Sprachgebrauch in Kärnten und Osttirol im Bereich der Grammatik können
nach Neweklowsky (1985; 1990) und Pohl (1989; 2009) wie folgt zusammenge-
fasst werden:
– Wegfall des Pronomens es in Konstruktionen mit unpersönlichem Subjekt:
z.B. Geht ihm gut
– Einwirken des slowenischen Duals in Konstruktionen des Typs mia(wir)
mitn Franze 'ich und Franz'
– adverbialer Gebrauch von nichts in der Bedeutung von nicht, z.B. Kummt er
heit goa nix zu uns? 'Kommt er heute gar nicht zu uns?'
– Initialstellung des Verbs (v.a. in dialogischen Gesprächssituationen), z.B.:
Kumm i glai. 'Ich komme gleich.'
||
102 Vgl. beispielsweise zu Slawismen im Namengut Osttirols die Publikation von Bergmann
(2005).
103 Zu slowenischen Entlehnungen im Bereich der Hof- und Familiennamen vgl. z.B. Pohl
(2009: 130): „Ein besonderes Charakteristikum der Slavia submersa Süd- und Südostöster-
reichs bzw. des Alpenslawischen sind die zahlreichen Hof- und Familiennamen (ursprünglich
Lagenamen) auf -nig(g) (auch -nik) aus slow. -nik […]. Einige Beispiele: Ladinig (zu slow. ledina
'Brache'), Pototschnig/Petutschnig(g) (slow. Potočnik 'Bacher'), Glantschnig(g)/Quantschnig
(slow. Klančnik zu klanec 'Steile; Hohlweg') […].“
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Jugendkommunikation und Dialekt
Syntax gesprochener Sprache bei Jugendlichen in Osttirol
- Title
- Jugendkommunikation und Dialekt
- Subtitle
- Syntax gesprochener Sprache bei Jugendlichen in Osttirol
- Author
- Melanie Lenzhofer
- Publisher
- De Gruyter Open Ltd
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-050330-2
- Size
- 14.8 x 22.0 cm
- Pages
- 502
- Category
- Geographie, Land und Leute