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86 | Theoretische Voraussetzungen
lĂ€Ăt, daĂ Texte grammatisch strukturierte Wortketten mit jeweils eigenen Bedeutungen
seien, die sich zu einem Sinnganzen zusammenfĂŒgten. Unsere Vorstellungen von gram-
matischen Relationen und Strukturen entstammen der durch die Alphabetkultur begrĂŒn-
deten und durch die Buchkultur totalisierten zweidimensionalen Visualisierungskultur.
(Ăgel 1999: 174)
Als Ausgangspunkt der folgenden AusfĂŒhrungen lĂ€sst sich also zusammenfas-
sen, dass sich trotz des ontologischen Primats gesprochener vor geschriebener
Sprache aus den Gegebenheiten der Schriftkultur heraus eine (mehr oder weni-
ger intendiert) schriftbezogene Grammatikschreibung entwickelt hat, auf deren
Basis gesprochene Sprache erfasst werden soll. Welche AnsÀtze in den letzten
Jahrzehnten mit Blick auf dieses grammatiktheoretische Dilemma erarbeitet
wurden und inwiefern diese fĂŒr das hier durchzufĂŒhrende Forschungsvorhaben
genutzt werden können, wird in den folgenden Kapiteln nÀher beleuchtet.
3.2.1 Zum VerhĂ€ltnis von MĂŒndlichkeit und Schriftlichkeit
Die Grundlage fĂŒr die Beantwortung der Frage nach der AdĂ€quatheit schrift-
grammatischer Kategorien bildet die Modellierung der Abgrenzung von gespro-
chener gegenĂŒber geschriebener Sprache und die theoretische Fundierung
dieser Unterscheidung zwischen MĂŒndlichkeit und Schriftlichkeit. Mit Zeman
(2013: 192193) lassen sich zwei grundlegende Positionen in der Modellierung
von MĂŒndlichkeit zusammenfassen: 1. Jene AnsĂ€tze, die (mehr oder weniger
explizit) eine binÀre Unterscheidung zwischen gesprochener und geschriebener
Sprache vornehmen und 2. jene AnsĂ€tze, die eine âdiversifikatorisch-
multifaktorielle Konzeptionâ (Zeman 2013: 192) vertreten. Erstere gehen von der
Annahme einer mehr oder weniger abgrenzbaren NĂ€he- vs. Distanzsprachlich-
keit aus, die in der medialen Unterscheidung von gesprochener und geschrie-
bener Sprache grĂŒndet. Auf Basis dieses medialen Unterschieds und den daraus
resultierenden sprachlichen Gegebenheiten lassen sich prototypisch nÀhe-
sprachliche gegenĂŒber prototypisch distanzsprachlichen kommunikativen Rea-
lisierungen abgrenzen.119 Diese prototypisch-binÀr orientierte Auffassung des
VerhĂ€ltnisses von MĂŒndlichkeit und Schriftlichkeit ist besonders klar in den
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119 Als protoytpisch nÀhesprachlich wÀre demzufolge das informell-familiÀre Alltagsge-
sprÀch, als prototypisch distanzsprachlich ein schriftlicher Vertrag oder Gesetzestext einzustu-
fen, wenngleich auch medial schriftliche Texte wie z.B. ein Privatbrief auf konzeptioneller
Ebene dem NÀhepol oder ein monologischer GesprÀchstyp wie etwa eine Predigt dem Distanz-
pol nahestehen.
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Jugendkommunikation und Dialekt
Syntax gesprochener Sprache bei Jugendlichen in Osttirol
- Title
- Jugendkommunikation und Dialekt
- Subtitle
- Syntax gesprochener Sprache bei Jugendlichen in Osttirol
- Author
- Melanie Lenzhofer
- Publisher
- De Gruyter Open Ltd
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-050330-2
- Size
- 14.8 x 22.0 cm
- Pages
- 502
- Category
- Geographie, Land und Leute