Page - 100 - in Jugendkommunikation und Dialekt - Syntax gesprochener Sprache bei Jugendlichen in Osttirol
Image of the Page - 100 -
Text of the Page - 100 -
100 | Theoretische Voraussetzungen
Hand: Nicht Sätze (und Worte), wie für geschriebene Sprache in der traditionel-
len Grammatikschreibung angenommen, sondern Konstruktionen bilden die
Grundbausteine der sprachlichen Interaktion (vgl. Deppermann 2011: 214). FĂĽr
die grammatiktheoretische Annährung an gesprochene Sprache ergibt sich
daraus der Vorteil, dass häufig vorkommende nicht-satzförmige Äußerungen
wie Ellipsen, Satzabbrüche oder Diskursmarker nicht als defizitäre, randgram-
matische Erscheinungen, sondern als interaktiv eigenständige, ganzheitliche
Elemente aufgefasst werden. Während in der prinzipiellen Orientierung an der
sprachlichen Oberfläche und dem Fokus auf authentischer Kommunikation
grundlegende Gemeinsamkeiten zwischen KxG und Interaktionaler Linguistik
bestehen, unterscheiden sich konstruktionsgrammatisch orientierte Arbeiten in
ihren Zielsetzungen mitunter deutlich von jenen der Interaktionalen Linguistik,
wie Deppermann (2011) ausfĂĽhrt:
Während KxG-Studien in der Regel von Konstruktionen ausgehen und deren Eigenschaf-
ten beschreiben, können IL-Studien einen form- oder funktionsbezogenen Ausgangspunkt
wählen. […] Die genaue Analyse von Interaktionskontexten und die detaillierte Beschrei-
bung der im Kontext vollzogenen (accomplished) Handlungen steht im Zentrum der IL-
Analysen, während Kontext in korpuslinguistischen KxG-Analysen höchstens schema-
tisch zum Tragen kommt. (Deppermann 2011: 219)
FĂĽr die hier geplante grundlegende Frage nach altersbedingten Unterschieden
im Sprachgebrauch von Jugendlichen im Vergleich zu Erwachsenen bedeutet
dies, dass weder die interaktionslinguistische noch die konstruktionsgrammati-
sche Perspektive auf Sprache-in-Interaktion als adäquater Rahmen für die Ana-
lyse gelten kann. Erstere insofern nicht, als in der interaktionslinguistischen
Herangehensweise in induktivem Vorgehen turn-by-turn sprachliche Praktiken
beschrieben werden, die „zur Konstruktion sozialer Handlungen und zur Bear-
beitung bestimmter Interaktionsaufgaben eingesetzt werden“ (Deppermann
2011: 219) bzw. – ausgehend von kommunikativen Aufgaben – die sprachlichen
Ressourcen zur Umsetzung der kommunikativen Ziele beschrieben werden. Wie
weiter oben bereits angesprochen wurde, ist dieses Vorgehen fĂĽr eine korpus-
basierte quantitativ-linguistische Untersuchung nicht geeignet.141
Die oben skizzierten theoretischen Prämissen der konstruktionsgrammatischen
Ansätze bringen wiederum das Problem mit, dass sich die Annahme von Kon-
struktionen als mehr oder weniger verfestigte, einzelne Laute, Wörter, Phrasen,
||
141 Wohl aber werden interaktionslinguistische Perspektiven in die qualitative Analyse der
untersuchten Phänomenbereiche im Rahmen der empirischen Analysen (vgl. Kapitel 4) inte-
griert.
back to the
book Jugendkommunikation und Dialekt - Syntax gesprochener Sprache bei Jugendlichen in Osttirol"
Jugendkommunikation und Dialekt
Syntax gesprochener Sprache bei Jugendlichen in Osttirol
- Title
- Jugendkommunikation und Dialekt
- Subtitle
- Syntax gesprochener Sprache bei Jugendlichen in Osttirol
- Author
- Melanie Lenzhofer
- Publisher
- De Gruyter Open Ltd
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-050330-2
- Size
- 14.8 x 22.0 cm
- Pages
- 502
- Category
- Geographie, Land und Leute