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Sprachvariation und gesprochene Sprache | 105
ation – verschiedene Prozeduren ausführen. Das Personalpronomen sie kann
etwa als operative Prozedur Wissenselemente miteinander verknüpfen, aber
auch als deiktische Prozedur fungieren (sie iSv. ʹDie Frau dort drüben.ʹ). Die
sprachlichen Felder können also nicht isoliert voneinander betrachtet werden,
zumal sie auch auf mentaler Ebene151 mit verschiedenen Tätigkeiten verknüpft
sind:
Die verschiedenen Prozeduren bedeuten für die verschiedenen Sprecher-
Hörer-Interaktionen jeweils spezifische mentale Tätigkeiten der involvierten
Interaktanten. So leistet der Sprecher mittels der deiktischen Prozedur die Steu-
erung des Aufmerksamkeitsapparates seines Hörers: mit Hilfe von Interjektio-
nen interferiert der Sprecher unmittelbar in den Handlungsabläufen des Hörers,
mit operativen Prozeduren hingegen trägt er dazu bei, daß der Hörer etwa die
angebotenen Informationen adäquat verarbeiten und ihm bereits verfügbare
Informationen mit in die Interaktion einbeziehen kann. (Ehlich 2007a: 24)
Für den Übergang eines sprachlichen Ausdrucks von einem der fünf sprach-
lichen Felder zu einem anderen schlägt Ehlich den Terminus Feldtransposition
vor (vgl. Ehlich 2007c: 9495). Eine Äußerung Ach!, die als Interjektion dem ex-
peditiven Feld zuzuordnen wäre, kann als Substantivierung (z.B. Sein Ach und
Weh nahm kein Ende.) eine Funktionalität im Symbolfeld einnehmen. Um den
Übergang eines Ausdrucks in ein anderes Feld auch in der linguistischen Ter-
minologie zu kennzeichnen, schlägt Ehlich vor, in diesem Fall das Präfix para-
zu verwenden. Ach in oben genanntem Beispielsatz wäre demnach als para-
symbolische Prozedur zu bezeichnen.152
||
151 Der Grundeinheit der Prozedur auf der Ebene des sprachlichen Handelns auf der Sprach-
oberfläche entspricht die Annahme einer elementaren mentalen Inhaltsgröße als „Wissens-
struktur vor dem Einsatz einzelner Prozeduren“ (Ehlich 2007d: 78; Hervorhebung im Original),
der so genannten elementaren propositionalen Basis (epB). Die epB besteht aus mindestens
einem Element des Symbolfeldes und wird im sprachlichen Handeln „minimal operativ bear-
beitet. Das bedeutet, die epB wird durch mindestens ein operatives Ausdrucksmittel für eine
Verarbeitung als sprachlich kommunizierter mentaler Gehalt geformt“ (Redder 2006: 138). Eine
Äußerung wie z.B. „Ich habe den Welthandel studiert“ beruht auf der epB „X studie-
ren_Welthandel“, die durch Anwendung verschiedener Prozeduren (z.B. der deiktischen Pro-
zedur zur Personenidentifikation) für die Kommunikation aufbereitet wird.
152 Die Annahme von Feldtranspositionen stellt damit einen interessanten Ansatz für dia-
chrone Fragestellungen (welches ist das Ausgangsfeld eines sprachlichen Ausdrucks) im Sinne
einer „Funktionalen Etymologie“ (Ehlich 2007c) dar und auch in Bezug auf Probleme der
Wortarteneinteilung (vgl. Hoffmann 2009) und zur Beschreibung von Vorgängen der Gramma-
tikalisierung (vgl. Kapitel 4.2.4.) kann dieses „Wandern“ sprachlicher Elemente von einem Feld
zum anderen als fruchtbarer Bezugspunkt dienen. In Zifonun et al. (1997) wurden die funktio-
nal-pragmatischen Konzepte der sprachlichen Prozedur und der Feldtransposition auch in einer
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Jugendkommunikation und Dialekt
Syntax gesprochener Sprache bei Jugendlichen in Osttirol
- Title
- Jugendkommunikation und Dialekt
- Subtitle
- Syntax gesprochener Sprache bei Jugendlichen in Osttirol
- Author
- Melanie Lenzhofer
- Publisher
- De Gruyter Open Ltd
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-050330-2
- Size
- 14.8 x 22.0 cm
- Pages
- 502
- Category
- Geographie, Land und Leute