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106 | Theoretische Voraussetzungen
Ehlich (vgl. v.a. 1998: 63) unterscheidet darüber hinaus zwei Gruppen von
Einheiten des sprachlichen Handelns: 1. monoprozedurale sprachliche Hand-
lungsformen und 2. multiprozedurale Handlungsformen. Erstere sind selbstsuf-
fiziente Prozeduren, die keiner Kombination mit weiteren Prozeduren bedürfen,
um in der Kommunikation effizient sein zu können, was v.a. für expeditive Pro-
zeduren des Lenkfelds (z.B. Hey!) gilt. Zweitere Gruppe unterteilt Ehlich in zwei
Möglichkeiten der multiprozeduralen Handlungsformen, die Prozedurenkombi-
nation und die Prozedurenintegration. In einer Prozedurenkombination (oder
auch einem Ensemble von Prozeduren, vgl. Redder 1990) werden mehrere
sprachliche Prozeduren miteinander verbunden, wobei auch eine Prozeduren-
kombination nicht satzförmig sein muss. In einer Äußerung wie Hey Tante Ger-
da! wird etwa eine expeditive mit einer symbolischen Prozedur verknüpft. Wie
diese Prozedurenkombinationen vonstatten gehen, ist dabei sprachtypkonstitu-
tierend:
Sowohl bei den agglutinierenden wie bei den flektierenden Sprachen wird sprachliche
Struktur im Wesentlichen so hergestellt, daß spezifisch solche Kombinationen vorge-
nommen werden, die dann in den Grammatiken ihre Beschreibung finden. Im Konzept der
'Grammatikalisierung' erhält diese an der verschriftlichten Oberfläche der Sprache greif-
bare Struktur kategorialen Status. (Ehlich 1998: 65)
Die Prozedurenintegration beschreibt Ehlich als weitere Stufe der Kombination
einzelner sprachlicher Prozeduren zu größeren Einheiten, auf deren Ebene auch
der Satz beschrieben werden kann. Dabei handelt es sich um komplexe multi-
prozedurale Kombinationen zur interaktiven Verständigung. Eine satzförmige
Äußerung wird als eine spezifische Form sprachlichen Handelns unter vielen
angesehen, „in der unterschiedliche Prozeduren auf unterschiedliche, aber für
die je einzelne Sprache charakteristische und unverwechselbare Weise inte-
griert werden. Sie setzen jeweilige mentale 'elementare propositionale Basen
(epB)' verbal um“ (Ehlich 1998: 66).
In der FP des deutschsprachigen Raums lag der Forschungsschwerpunkt im
Großen und Ganzen auf institutioneller Kommunikation (vgl. z.B. Redder 1983;
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Gegenwartsgrammatik des Deutschen (vgl. v.a. 21 und 310) integriert. Nicht zuletzt ist das
funktional-pragmatische Konzept sprachlicher Prozeduren auch für sprachtypologische Arbei-
ten relevant: Die Kombination der sprachlichen Prozeduren miteinander ist als sprachenspezi-
fisch anzusehen. So hält etwa Ehlich (2007f: 444) fest: „Einzelne Sprachen nehmen charakte-
ristische Kombinationen vor. Prozedurenkombinationen sind etwa für flektierende Sprachen
ein zentrales Verfahrensmittel.“
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Jugendkommunikation und Dialekt
Syntax gesprochener Sprache bei Jugendlichen in Osttirol
- Title
- Jugendkommunikation und Dialekt
- Subtitle
- Syntax gesprochener Sprache bei Jugendlichen in Osttirol
- Author
- Melanie Lenzhofer
- Publisher
- De Gruyter Open Ltd
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-050330-2
- Size
- 14.8 x 22.0 cm
- Pages
- 502
- Category
- Geographie, Land und Leute