Page - 108 - in Jugendkommunikation und Dialekt - Syntax gesprochener Sprache bei Jugendlichen in Osttirol
Image of the Page - 108 -
Text of the Page - 108 -
108 | Theoretische Voraussetzungen
Für die Auseinandersetzung mit gesprochener Sprache sind die Annahmen der
FP insofern relevant, als es um Interaktion zwischen Sprecher/in und Hörer/in
und die Funktionen sprachlicher Ressourcen in dieser Interaktion geht. Eine
grammatiktheoretische Auseinandersetzung mit gesprochener Sprache ist somit
in den Rahmen einer Handlungstheorie von Sprache eingebettet (vgl. Redder
1990). Insgesamt erweist sich die funktionale Pragmatik als theoretischer Rah-
men für eine Arbeit zur gesprochenen Sprache in mehrerlei Hinsicht als frucht-
bar:
1. methodisch: Da die funktionale Pragmatik von der Wirklichkeit sprachli-
chen Handelns ausgeht, ist sie notwendigerweise empirisch ausgerichtet;
2. in Bezug auf die Kategorienfrage: Der kanonisch schriftbasierte Satz ist im
Rahmen der funktional-pragmatischen Grammatik nicht das Grundelement,
die elementare Form von Sprache, sondern wird „als eine spezifische Form
des sprachlichen Handelns“ (Ehlich 1999: 61) aufgefasst. Nicht-satzförmige
Einheiten werden daher nicht als defizitär angesehen. Die (kommunikative)
Vollständigkeit einer Einheit ergibt sich nicht aus dem Vorhandensein von
finitem Verb und dazugehörigen Komplementen, sondern daraus, ob die
Äußerung ihren Handlungszweck erfüllt. Sprachliche Prozeduren als die
Grundelemente der Kommunikation sind demnach definiert als „Tätigkei-
ten der kommunikativen Interaktanten, durch die die Sprecher Verständi-
gung mit den Hörern erzielen“ (Ehlich 2007c: 91) und die einerseits durch
die Kombination und/oder Integration mehrerer sprachlicher Prozeduren
komplexere Handlungsformen bilden können, aber andererseits „ihre
Handlungszwecke auch vollständig in sich erfüllen [können] und dann
selbstsuffizient [sind].“ Eine Interjektion bspw. kann als monoprozedurale
sprachliche Handlungsform fungieren, die ihren Handlungszweck durch
eine einzige sprachliche (z.B. expeditive) Prozedur erfüllt;
3. im Umgang mit polyfunktionalen Sprachmitteln: Verbale (oder nonverbale)
Mittel können je nach Verwendungskontext mehreren sprachlichen Feldern
zugeordnet werden, also Funktionen unterschiedlicher sprachlicher Proze-
duren übernehmen. Hier bietet sich ein Anknüpfungspunkt an Aspekte des
Sprachwandels und Grammatikalisierungsvorgänge an. Gleichzeitig kristal-
lisiert sich ein Schnittpunkt mit der Vorstellung eines Varietätenkontinu-
ums heraus, in dessen Umfeld ein und dieselbe Variante auf verschiedenen
Variationsdimensionen auftreten und sich in Kookkurrenz mit anderen Va-
rianten verdichten kann.
Die empirisch-induktive Vorgehensweise der FP fand jedoch nicht nur Zustim-
mung – Kritik wurde v.a. in Bezug auf die eher intuitive Vorgehensweise und
back to the
book Jugendkommunikation und Dialekt - Syntax gesprochener Sprache bei Jugendlichen in Osttirol"
Jugendkommunikation und Dialekt
Syntax gesprochener Sprache bei Jugendlichen in Osttirol
- Title
- Jugendkommunikation und Dialekt
- Subtitle
- Syntax gesprochener Sprache bei Jugendlichen in Osttirol
- Author
- Melanie Lenzhofer
- Publisher
- De Gruyter Open Ltd
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-050330-2
- Size
- 14.8 x 22.0 cm
- Pages
- 502
- Category
- Geographie, Land und Leute