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110 | Theoretische Voraussetzungen
– Reflexivität: verbale, para- und nonverbale Elemente sind in der sprachli-
chen Interaktion laufend aufeinander bezogen.
– Sequenzialität: Sprache-in-Interaktion wird im zeitlichen Verlauf geäußert.
Äußerungen beziehen sich auf Elemente, die zeitlich vorher geäußert wur-
den und sind selbst auch wieder Ausgangspunkt für weitere Äußerungen.
Syntaktische Phänomene müssen daher im Sinne einer „On line-Syntax“
(Auer 2000) erfasst werden.
– Joint Construction: Sowohl Bedeutung als auch Form von sprachlichen Äu-
Ăźerungen werden in der verbalen Interaktion im Sinne einer Ko-Autorschaft
von den Gesprächsteilnehmer/-innen gemeinsam gestaltet und koordiniert.
Durch die reflexive Bezugnahme und das gemeinsame Hervorbringen von
Sprache durch die Gesprächsteilnehmer/-innen kann es zur Emergenz (und
in weiterer Folge zur Verfestigung156) neuer Konstruktionen kommen.
– Kontextgebundenheit: Sprache-in-Interaktion ist situations- und kontextge-
bunden. Sprachliche Elemente dienen der DurchfĂĽhrung kommunikativer
Aktivitäten und sind ohne Berücksichtigung des (sprachlichen und außer-
sprachlichen) Kontexts nicht identifizier- bzw. erklärbar.
In der Frage nach den Grundeinheiten mĂĽndlicher Sprache-in-Interaktion ist
eine große Bandbreite an Vorschlägen aus sprachwissenschaftlicher Perspekti-
ve festzustellen. Diese Vorschläge eint die Annahme, dass syntaktische Be-
schreibungen gesprochener Sprache sich nicht ausschlieĂźlich an der Kategorie
Satz orientieren können – eine Auffassung, die auch in der vorliegenden Unter-
suchung verfolgt wird. Als besonders fruchtbar fĂĽr die grammatiktheoretische
Auseinandersetzung mit gesprochener Sprache-in-Interaktion sind Ansätze der
Interaktionalen Linguistik, der Konstruktionsgrammatik, aber auch der Funkti-
onalen Pragmatik anzusehen. Interaktional-linguistisch orientiert ist die vorlie-
gende Arbeit insofern, als versucht wird, in Bezug auf den Faktor Alter relevante
grammatische Strukturen zu identifizieren und ihre spezifischen Funktionen
innerhalb der verbalen Interaktion zu erfassen. Die Tatsache, dass diese gram-
matischen Strukturen auch ko-konstruiert werden können und auf der Sequen-
||
156 Grammatik wird dementsprechend nicht als festes Set von Regeln und daraus ableitbaren
grammatischen Strukturen verstanden. Vielmehr muss berĂĽcksichtigt werden, dass sprachli-
che Neuerungen, die in der gesprochenen Sprache-in-Interaktion in Form von Normabwei-
chungen auftreten, selbst zur Norm werden können. Diesen Vorgang bringt Haspelmath (2002:
270) pointiert zum Ausdruck: „Metaphorisch könnte man also sagen: Grammatik ist geronnener
Diskurs.“ In diesem Sinne ist auch mit Fokus auf die Standardvarietät(en) der Status von
Grammatik zwischen Norm und Usus und die damit verbundene Frage nach Kritierien fĂĽr die
Bewertung sprachlicher „Richtigkeit“ zu beleuchten (vgl. Edler 2009; Ziegler 2010).
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Jugendkommunikation und Dialekt
Syntax gesprochener Sprache bei Jugendlichen in Osttirol
- Title
- Jugendkommunikation und Dialekt
- Subtitle
- Syntax gesprochener Sprache bei Jugendlichen in Osttirol
- Author
- Melanie Lenzhofer
- Publisher
- De Gruyter Open Ltd
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-050330-2
- Size
- 14.8 x 22.0 cm
- Pages
- 502
- Category
- Geographie, Land und Leute