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114 | Theoretische Voraussetzungen
Die prosodischen Merkmale einer mündlichen Äußerung übernehmen eine
tragende Rolle in der syntaktischen Gestaltung, der Bedeutungskonstitution
und dem Herstellen kommunikativ-pragmatischer BezĂĽge (allen voran im
Transportieren von Expressivität und Emotion) (vgl. Möbius 1993: 1). Als „[d]ie
wichtigsten suprasegmentalen Merkmale [werden] die Tonhöhe, die Lautheit
und die Dauer von gesprochen-sprachlichen Elementen“ (Bergmann 2013: 76)
angesehen. Diese paraverbalen Merkmale werden in der Regel als „Intonation
im engeren Sinne“ bezeichnet (vgl. Möbius 1993: 1). Der Verlauf der Tonhöhe
über eine Äußerung hinweg wird häufig auch als Sprachmelodie oder Intonati-
onsverlauf bezeichnet (vgl. Bergmann 2013: 76). Den Suprasegmentalia Länge,
Lautheit und Tonhöhe entsprechen auf akustischer Ebene Dauer, Intensi-
tät/Amplitude und Grundfrequenz (f0) (vgl. Birkner 2008: 81).159 Zu den Merkma-
len der Intonation im weiteren Sinne werden dagegen der Rhythmus, die
Sprechgeschwindigkeit, Stimmqualität oder die Struktur der Pausen in den
Äußerungen gezählt (vgl. Möbius 1993: 1). Nach Crystal (1969: 131) kann zwi-
schen primären – dazu zählen Tonhöhenverlauf, -register und -umfang sowie
Phrasierung, Pausen, Lautstärke und Sprechgeschwindigkeit – und sekundären
Merkmalen der Prosodie unterschieden werden. Die sekundären Merkmale
umfassen keine sprachlichen, sondern paraverbale Phänomene wie Flüstern,
Behauchung der Stimme, Knarrstimme (creaky voice), aber auch das Sprechen
begleitende Lachen, Kichern, Schluchzen, Weinen etc. (vgl. auch Auer/Selting
2001: 1122; Selting 2010: 45). Unter diesen primären und sekundären prosodi-
schen Merkmalen sind es v.a. der Tonhöhenverlauf und die damit in Verbin-
dung stehende Akzentuierung, die die Bedeutungskonstitution der kommunika-
tiven Inhalte und die Informationsstrukturierung (Fokus-Hintergrund-
Gliederung) innerhalb einer Intonationsphrase160 beeinflussen.
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159 Stein (2003: 327) weist darauf hin, dass in der Analyse natürlicher Gespräche in ihrer
Interaktion in der Regel die Perspektive der auditiven Wahrnehmung und die damit verbunde-
ne Terminologie (Tonhöhe und Tonhöhenbewegung, Lautstärke, Länge) im Mittelpunkt steht.
Neben der oben bereits genannten Beschreibung des akustischen Schallereignisses mit Hilfe
der entsprechenden Terminologie (Grundfrequenz f0, Amplitude, Dauer) ist jedoch auch die
Perspektive der Artikulation zu berücksichtigen: Die Tonhöhe wird durch die Stimmbandvibra-
tion erzeugt, Lautheit durch Artikulationsenergie, Länge durch Artikulationszeit und ein audi-
tiv wahrgenommenes Timbre (Klangfarbe) durch Unterschiede im Resonanzraum (vgl. Stein
2003: 326327).
160 Der Begriff Intonationsphrase als prosodisch markierte vollständige kommunikative Ein-
heit hat sich mittlerweile in der deutschsprachigen Prosodieforschung etabliert. Vergleichbare,
im Grunde Ähnliches bezeichnende Begriffe sind: rhetorische Phrase (von Essen 1964), Ton-
gruppe (Pheby 1984), Äußerungseinheit (Schwitalla 1997), intonation unit (Crystal 1969) oder
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Jugendkommunikation und Dialekt
Syntax gesprochener Sprache bei Jugendlichen in Osttirol
- Title
- Jugendkommunikation und Dialekt
- Subtitle
- Syntax gesprochener Sprache bei Jugendlichen in Osttirol
- Author
- Melanie Lenzhofer
- Publisher
- De Gruyter Open Ltd
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-050330-2
- Size
- 14.8 x 22.0 cm
- Pages
- 502
- Category
- Geographie, Land und Leute