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130 | Theoretische Voraussetzungen
Es ist also keineswegs so, dass nur Bauweisen mit finitem Prädikatsausdruck grammati-
schen Konstruktionen eine derartige Strukturorientierung verleihen. Mit Ausnahme von
eingliedrigen bzw. Einwortkonstruktionen verfügen auch fast alle anderen Konstruktions-
schemata über eine, wenn auch weniger weit reichende, projektierende Kraft. (Stein 2010:
80)
Neben der syntaktischen verfügen die Kommunikationsteilnehmer/-innen aber
auch auf anderen Ebenen über Verfahren der Projektion. Auer (2010: 59) fol-
gend können sie auch „auf Wissen über die sequenzielle Organisation der Inter-
aktion und des Textes aufbauen, d.h. darüber, wie sprachliche Handlungen in
der Zeit miteinander verknüpft werden.“ Damit wird der Projektionsbegriff über
die syntaktische Ebene hinaus auch für semantisch-pragmatische, paraverbale
(prosodische) und nonverbale Projektionen gültig (vgl. Auer 2007: 99)180, die
mitunter über die Turnebene hinausreichen.181 Die Prägnanz und Konturiertheit
der Abschlusspunkte kann dabei variieren. „Optimale (d.h. prägnante) Gestalt-
schlüsse sind dann erreicht, wenn an einem Punkt sämtliche syntaktische, pro-
sodische und semanto-pragmatische Projektionen abgearbeitet sind“ (Auer
2010: 1112). Je stärker sich diese drei Ebenen der Projektion überlappen und je
prägnanter damit der Gestaltschluss wird, desto wahrscheinlicher ist auch eine
mögliche Übergabe des Rederechts (vgl. Auer 2010: 12). Einzelne Ressourcen der
Gliederung in der Kommunikation können dabei zu unterschiedlichen Grenz-
markierungen führen (vgl. u.a. Stein 2003: 428429). Die neueren Arbeiten zur
Analyse mündlicher Kommunikation basieren daher auf einer integrativen Her-
angehensweise mit dem Ziel „alle gliederungsrelevanten Äußerungs-
eigenschaften gleichermaßen zu berücksichtigen“ (Stein 2003: 428). In Bezug
auf die Operationalisierbarkeit der Einheiten mündlicher Kommunikation für
die Analyse kann jedoch von diesen verschiedenen Verfahren der Projektion
v.a. das Maß an projektierender Kraft auf syntaktischer Ebene zur Abgrenzung
einzelner Einheitentypen in der Segmentierung und Annotation der diskursiven
Daten genutzt werden.
Bevor dies näher ausgeführt wird, sei zunächst noch in wenigen Zeilen auf
das Problem der Hierarchisierung der bei der Segmentierung gesprochener
||
180 Auer (2007: 97) sieht in der unterschiedlichen Ausprägung der Projektionen auf den
verschiedenen verbalen und nonverbalen Ebenen auch eine Möglichkeit zum Sprachvergleich,
da sich die grammatische Ausgestaltung verschiedener Sprachen in ihrem Projektionspotential
unterscheidet.
181 So können auch bestimmte Aktivitätstypen (z.B. Witze) oder Mehr-Einheiten-Turns (z.B.
Ankündigung einer Aufzählung) projiziert werden. Dies ist in Stein (2003: 429430) anhand
einiger Beispiele näher erläutert.
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Jugendkommunikation und Dialekt
Syntax gesprochener Sprache bei Jugendlichen in Osttirol
- Title
- Jugendkommunikation und Dialekt
- Subtitle
- Syntax gesprochener Sprache bei Jugendlichen in Osttirol
- Author
- Melanie Lenzhofer
- Publisher
- De Gruyter Open Ltd
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-050330-2
- Size
- 14.8 x 22.0 cm
- Pages
- 502
- Category
- Geographie, Land und Leute