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Segmentierung gesprochener Sprache | 135
Worauf diese Fokussierung auf syntaktische Projektionen in Bezug auf die Ka-
tegorisierung der Einheitentypen grĂĽndet und welche Einteilung aus dieser
grundlegenden Unterscheidung in satzförmige und nicht-satzförmige Einheiten
resultiert, ist Gegenstand der folgenden Unterkapitel.
3.3.2.2 Satzförmige interaktive Einheiten (KS und MS)
Der Grund fĂĽr die Orientierung an der syntaktischen Projektion als Abgren-
zungskriterium einzelner Typen von Intonationsphrasen ist in erster Linie ein
methodischer: Mit Hennig soll die syntaktisch orientierte Perspektive in der
Segmentierung „ausschließlich als Instrumentarium der grammatischen Be-
schreibung verstanden werden und nicht als normativ-skriptizistische Wer-
tung“ (2006: 164165). Der Satz wird dabei als „syntaktischer Maximalfall der
Einheitenbildung“ (Hennig 2006: 177) eingestuft – als komplexe, mehrere Ele-
mente und deren Projektionsverfahren miteinander kombinierende Einheit183
kann der Satz als Ausgangspunkt fĂĽr die weitere Ausdifferenzierung der Einhei-
tentypen genutzt werden. Ausgehend vom Konzept der syntaktischen Projekti-
on unterscheidet Hennig folgende drei Definitionskriterien (vgl. Hennig 2006:
177, Kap. 2.2. und 2.3.):
a. Vorhandensein eines finiten Verbs und Realisierung der Valenzpotenz
b. ErfĂĽllen aller weiteren Projektionspotenzen neben der Valenzpotenz
c. kontinuierliche Realisierung ohne Formulierungsschwierigkeiten
Das Vorhandensein eines finiten Verbs und die Realisierung der sich daraus
ergebenden Valenzpotenz sowie anderer syntaktischer Projektionspotenzen
(etwa jener von Artikelwörtern, Präpositionen etc.) unterscheidet Sätze von
anderen aus der Gesprochene-Sprache-Forschung bekannten Einheitentypen
wie Ellipsen oder Anakoluthen.184 Damit kann zunächst zwischen satzförmigen
und nicht-satzförmigen Einheiten unterschieden werden. Innerhalb der Gruppe
der satzförmigen Äußerungen wird mit Selting (1995) und Hennig (2006: 181182)
zwischen „kanonischen Sätzen prototypischer geschriebener Sprache“ und
„kanonischen Sätzen prototypischer gesprochener Sprache“ (Hennig 2006: 182;
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183 Mit dieser Auffassung des Satzes als „maximal mögliche Kriterienkombination“ (Hennig
2006: 177) lässt sich auch das Konzept der sprachlichen Prozeduren (vgl. Kap. 3.2.2.3.), demzu-
folge Sätze nicht vollständigere oder „bessere“ Einheiten als Nicht-Sätze sind, sondern ledig-
lich aus einer Kombination mehrerer sprachlicher Prozeduren bestehen, vereinbaren.
184 Die Adäquatheit der Begriffe „Ellipse“ und „Anakoluth“ in Bezug auf die Beschreibung
gesprochener Sprache wurde aufgrund ihrer skriptizistischen Prägung mehrfach kritisiert –
darauf wird weiter unten näher eingegangen.
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Jugendkommunikation und Dialekt
Syntax gesprochener Sprache bei Jugendlichen in Osttirol
- Title
- Jugendkommunikation und Dialekt
- Subtitle
- Syntax gesprochener Sprache bei Jugendlichen in Osttirol
- Author
- Melanie Lenzhofer
- Publisher
- De Gruyter Open Ltd
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-050330-2
- Size
- 14.8 x 22.0 cm
- Pages
- 502
- Category
- Geographie, Land und Leute