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136 | Theoretische Voraussetzungen
âmögliche SĂ€tzeâ bei Selting 1995) unterschieden. Wie kanonische SĂ€tze ge-
schriebener Sprache (KS) so kennzeichnet die in mĂŒndlicher Kommunikation
hÀufig auftretenden möglichen SÀtze (MS) das Vorhandensein des finiten Verbs
(Kriterium a) und das ErfĂŒllen seiner Valenzpotenzen und aller weiteren syntak-
tischen Projektionspotenzen (Kriterium b). Im Unterschied zu den KS wird der
Projektionsaufbau bzw. seine Einlösung jedoch diskontinuierlich vollzogen
und/oder am Projektionsaufbau nicht beteiligte Elemente werden dsikontinu-
ierlich realisiert (VerstoĂ gegen Kriterium c).185 Dies ist etwa bei Herausstellun-
gen (Links- oder Rechtsversetzungen186), Wiederholungen einzelner Elemente
und Reparaturen der Fall. Die folgenden zwei Beispiele sollen diesen Unter-
schied verdeutlichen. In Beispiel (14) sind alle ĂuĂerungsteile prosodisch inte-
griert, es gibt eine finale Tonhöhenbewegung und einen Nukleusakzent. Dies
lĂ€sst zu, dass die ĂuĂerung als zusammengehörige Intonationsphrase angese-
hen wird. DarĂŒber hinaus sind in Bezug auf die Einheitentypologisierung die
Kriterien a) und b) erfĂŒllt â es handelt sich also um eine satzförmige ĂuĂerung:
Beispiel 14: wie HAAĂT_n des; [JD 1, Z. 70]
'Wie heiĂt denn das.'
Die Tatsache, dass ein finites Verb vorhanden ist, seine Valenzpotenzen reali-
siert werden und dies auch noch kontinuierlich vonstattengeht, fĂŒhrt zur Klassi-
fikation als kanonisch geschriebensprachlicher Satz (KS) â dies allerdings aus
rein syntaktischer Sicht: Die Lautung der Intonationsphrase ist aufgrund der
regionalsprachlichen PrÀgung der zugrundeliegenden Korpora JD und ED na-
tĂŒrlich dialektal beeinflusst. PhĂ€nomene der gesprochenen Sprache wie Ver-
schleifungen, Apokopierungen oder Klitisierungen sowie dialektale Lautungen
werden hier mit Hennig (2006: 228 und 246) jedoch nicht als ausschlaggebend
||
185 Unter schriftzentrierter Perspektive wĂŒrde man â v.a. in Bezug auf ReparaturphĂ€nomene
und Wiederholungen â wohl von âPerformanzfehlern oder -problemenâ sprechen (vgl. als
kritische Ăbersicht dazu Fiehler 2004: 139141).
186 Ăhnlich wie die Begriffe âEllipseâ und âAnakoluthâ so wurden auch die Begriffe âLinks-
und Rechtsversetzungâ in ihrer Orientierung an schriftliche Kommunikation und kanonische
SĂ€tze geschriebener Sprache kritisiert (vgl. z.B. Auer 1991: 139140). Ăgel schlĂ€gt in einem topo-
logisch orientierten Modell zur Vermittlung des gesprochenen Deutsch als Fremdsprache vor,
Satzrandstrukturen (Elemente vor dem Vorfeld und nach dem Nachfeld) als âSatzrandgliederâ
(analog zu den Satzgliedern im KS) zu bezeichnen. Da sich diese Einteilung stark am Satzglied-
und damit am skriptizistisch geprÀgten Satzbegriff orientiert, wird sie in der vorliegenden
Untersuchung nicht angewendet. Ăgels Vorschlag liegt derzeit nur in Abstract-Form vor (vgl.
online unter: http://www2.hu-berlin.de/gesprochene-fremdsprache-deutsch/?page_id=31
(01.01.2015).
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Jugendkommunikation und Dialekt
Syntax gesprochener Sprache bei Jugendlichen in Osttirol
- Title
- Jugendkommunikation und Dialekt
- Subtitle
- Syntax gesprochener Sprache bei Jugendlichen in Osttirol
- Author
- Melanie Lenzhofer
- Publisher
- De Gruyter Open Ltd
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-050330-2
- Size
- 14.8 x 22.0 cm
- Pages
- 502
- Category
- Geographie, Land und Leute