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Parataxe und Hypotaxe | 207
dem zweiteiligen Relativelement der/die/das + was eine weitere Variante, näm-
lich der/die/das + wo, als typisch für die gegenwärtigen bairischen Dialekte an:
„In contemporary Bavarian the relative pronoun normally has two elements […].
It consists of a relative pronoun that agrees with the coreferential non-phrase as
in normative German and, additionally, a relative clause marker, which in the
west is wo, and in the east was.“ (Mayerthaler/Mayerthaler 1990: 392). Demnach
müsste in Osttirol als eher westlich gelegenem Teil des bairischen Dialektraums
tendenziell häufiger die Realisierungsvariante der wo (der Mann, der wo dort
drüben steht) als jene mit der was (der Mann, der was dort drüben steht) anzu-
treffen sein.264 Auch hier ist jedoch festzuhalten: In der Osttiroler Freizeitkom-
munikation findet sich kein Beleg für eine Relativkonstruktion, die mit
der/die/das + wo eingeleitet wird. Dafür aber können Beispiele für ein Rela-
tivelement gefunden werden, das von Fleischer (2005) als typisch für westmit-
teldeutsche Dialekte (v.a. Mosel- und Ostfränkisch) eingestuft wird, nämlich
den durch wo eingeleiteten Relativsatz (der Mann, wo dort drüben steht). Der
Gebrauch von wo als Relativelement geht dabei über die für die Standardspra-
che anerkannten lokalen und temporalen Gebrauchskontexte hinaus (siehe
weiter oben) und wird auch in semantisch restriktiver Funktion verwendet.
Dass sich hier einige Differenzen zwischen den in der dialektologischen
Fachliteratur beschriebenen, vermeintlich für bairische Dialekte typischen Rela-
tivelementen und den in realem Sprachmaterial tatsächlich vorfindlichen Bele-
gen ergeben, liegt wohl an den zugrundeliegenden Quellen der eben angespro-
chenen Arbeiten. Fleischers Ausführungen etwa basieren nicht auf
authentischem Sprachmaterial, sondern auf Beispielen aus Dialektgrammati-
ken. Er begründet dies (mit Verweis auf Patocka 2000b) mit dem zu seltenen
Vorkommen von Relativ(satz)konstruktionen in mündlicher Kommunikation,
die eine lückenlose Typologie dialektaler Relativelemente unmöglich mache.
Die nachfolgende Frequenzanalyse und Beschreibung der Gebrauchskontexte
der in den Osttiroler Freundesgesprächen vorkommenden Relativsatzkonstruk-
tionen ist daher nicht nur in Bezug auf möglicherweise altersgebundene Ten-
denzen einzelner Relativsatztypen, sondern auch als Überprüfung von dialekto-
logisch festgelegten Realisierungsvarianten hinsichtlich ihres tatsächlichen
Gebrauchs unter (Süd-)Bairischsprecher/-innen von Belang.
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264 Das Vorkommen dieser zweiteiligen Relativelemente (ebenso wie des Relativsatzes mit
dass) führen Mayerthaler/Mayerthaler auf den Einfluss romanischer Sprachen auf das Bairi-
sche zurück, da hier ebenfalls zweiteilige Relativelemente vorkommen. Diese Annahme ist
jedoch umstritten; zu einer kritischen Auseinandersetzung vgl. Knoerrich (2002: 156157).
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Jugendkommunikation und Dialekt
Syntax gesprochener Sprache bei Jugendlichen in Osttirol
- Title
- Jugendkommunikation und Dialekt
- Subtitle
- Syntax gesprochener Sprache bei Jugendlichen in Osttirol
- Author
- Melanie Lenzhofer
- Publisher
- De Gruyter Open Ltd
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-050330-2
- Size
- 14.8 x 22.0 cm
- Pages
- 502
- Category
- Geographie, Land und Leute