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Parataxe und Hypotaxe | 233
gesprochenen Deutsch“ (1998). Sein Korpus umfasst 379 weil-Sätze aus Tran-
skripten von Alltagsgesprächen ostmittelbairischer Dialektsprecher aus dem
nördlichen Oberösterreich, wovon ca. zwei Drittel (248 Belege) Verbzweitstel-
lung und nur etwas mehr als ein Drittel (131 Belege) Verbletztstellung zeigen.
Wie bei den hier untersuchten SĂĽdbairisch-Sprechern ĂĽberwiegt also auch bei
den Mittelbairisch-Sprechern weil-Verbzweit- gegenĂĽber weil-Verbletztstellung.
Scheutz’ Schlussfolgerung, dass sein Ergebnis „[…] zweifellos eine gewichtige
Gegenevidenz zur zuletzt behaupteten regionalen Unspezifität des weil-
Verbzweit-Gebrauches dar[stelle] […]“ (Scheutz 1998: 94), kann damit zuge-
stimmt werden.296
Die vermehrte Verwendung von koordinierendem weil in den Dialektkorpo-
ra im Vergleich zu Korpora mit standardnaher gesprochener Sprache spricht fĂĽr
eine besondere Verdichtung von weil mit Verbzweitstellung im Dialektge-
brauch, zumal auch unter Einbeziehung von kausalem denn und da das umge-
kehrte Verhältnis der weil-Belege bestehen bleibt. Außerdem konnte Scheutz
(2005) neben den frequenziellen auch funktionale Unterschiede des Bairischen
bei der Verwendung von weil-Sätzen im Vergleich zur Standardvarietät feststel-
len. Scheutz hält fest, dass ein und dieselbe syntaktische Konstruktion in unter-
schiedlichen Regionen unterschiedliche Funktionen aufweisen kann. So könne
im Bairischen nicht nur koordinierendes, sondern auch subordinierendes weil
epistemisch gebraucht werden. Diese spezielle „Uniformität der Form-
Funktions-Beziehung“ (Scheutz 2005: 308) im Bairischen (die Form weil mit
Verbletztstellung entspricht u.a. der Funktion des epistemischen Gebrauchs),
die sich von standardnaher gesprochener Sprache (die Form weil mit Verbletzt-
stellung entspricht nicht der Funktion des epistemischen Gebrauchs) unter-
scheidet, unterstĂĽtzt damit die These von weil mit Verbzweitstellung als dia-
lektpräferentielles Phänomen.
Dass auch Relativsatzkonstruktionen mit Verbzweitstellung (RV2) dialekt-
spezifisch im Sinne eines präferierten Gebrauchs im Bairischen sein könnten,
kann auf Basis der hier vorliegenden Daten nicht belegt werden. VerbfrĂĽher-
bzw. Verbzweitstellung ist in allen drei Teilkorpora in Relativsätzen ähnlich
selten belegt und kommt unter den Jugendlichen (in Relation zur Gesamtanzahl
der Relativsatzkonstruktionen in Teilkorpus JD) nur geringfügig häufiger vor als
in der Freizeitkommunikation der Erwachsenen. Interessante Ergebnisse fördert
aber die BerĂĽcksichtigung anderer Nonstandard-Realisierungsvarianten des
||
296 Ob die Tendenz zur koordinierenden Realisierung nur fĂĽr das Mittel- und SĂĽdbairische,
oder aber insgesamt für die bairischen Dialekte gilt, müsste anhand eines größeren Korpus
ĂĽberprĂĽft werden.
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Jugendkommunikation und Dialekt
Syntax gesprochener Sprache bei Jugendlichen in Osttirol
- Title
- Jugendkommunikation und Dialekt
- Subtitle
- Syntax gesprochener Sprache bei Jugendlichen in Osttirol
- Author
- Melanie Lenzhofer
- Publisher
- De Gruyter Open Ltd
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-050330-2
- Size
- 14.8 x 22.0 cm
- Pages
- 502
- Category
- Geographie, Land und Leute