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interaktionalen Kontext identifiziert werden. Als Beispiel fĂĽr einen solchen
(weiteren) quantitativen Analyseschritt, der den qualitativen interaktional-
linguistisch orientierten Analysen folgt, kann z.B. Martin Pfeiffers Arbeit zu
Reparaturverfahren in der sprachlichen Interaktion (Selbstreparaturen im Deut-
schen. Syntaktische und interaktionale Analysen (2015)) genannt werden. Im
größeren Kontext der Gesprochene-Sprache-Forschung gedacht, wäre meines
Erachtens eine solche stärkere Verknüpfung eines qualitativen, Sprache-in-
Interaktion beschreibenden Vorgehens mit sprachstrukturellen Analysen und
quantifizierenden Verfahren wĂĽnschenswert. Gilt es nicht nur, bestimmte Ver-
fahren zur Bewältigung einer kommunikativen Aufgabe und dafür typische
Sprachstrukturen zu identifizieren, sondern auch Zusammenhänge dieser
sprachlichen Ressourcen mit bestimmten Sprecher- und/oder Altersgruppen
aufzudecken, so sind quantitative Frequenzanalysen, wie sie in der vorliegen-
den Monographie durchgeführt wurden, unumgänglich und können ihrerseits –
auf bestehenden Ergebnissen interaktionaler Analysen basierend – weiterfüh-
rende Einsichten in aktuelle Ausprägungen der Sprachvariation im Deutschen
liefern.
In Bezug auf die grammatiktheoretische Fundierung gesprochener Sprache-
in-Interaktion ist abschlieĂźend festzuhalten, dass in den letzten Jahren zurecht
vermehrt der Temporalitätsaspekt mündlicher Kommunikation und seine zent-
rale Rolle im sprachlichen Handeln anerkannt wurde: Grammatische Strukturen
erscheinen erst nach und nach, werden vom Sprecher bzw. von der Sprecherin
oder auch in Interaktion von mehreren Gesprächsteil-nehmer/-innen (ko-) kon-
struiert und verändert. Dementsprechend wird darauf hingewiesen, dass „anal-
yses of grammar have to reorient away from searching for autonomous struc-
tures and from treating grammatical constructions as finished entities“
(GĂĽnthner 2011b: 157). FĂĽr weiterfĂĽhrende Untersuchungen zu den oben zu-
sammengefassten alterspräferentiellen Merkmalen syntaktischer Variation ist
mit Sicherheit eine grammatiktheoretisch stärkere Einbindung wünschenswert.
Die Tatsache, dass sich der Fokus sowohl in interaktionslinguistisch orientier-
ten Arbeiten der Gesprächsforschung als auch in grammatiktheoretischen Ar-
beiten der Konstruktionsgrammatik oder in handlungstheoretisch basierten
Arbeiten z.B. der Funktionalen Pragmatik in einer Vielzahl von Publikationen
von der (strukturalistisch geprägten) Auffassung eines hierarchisch geordneten
Systems stabiler grammatischer Strukturen hin zur BerĂĽcksichtigung der zeitli-
chen Linearität und der Anerkennung interaktionaler Prozesse in der Analyse
von (gesprochener) Sprache gewandelt hat, zeugt vom fortschreitenden Para-
digmenwechsel in der Grammatikschreibung. Die Auffassung von Sprache als
dynamisch-interaktives Handeln, in dem sich manche Muster verfestigen, ande-
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Jugendkommunikation und Dialekt
Syntax gesprochener Sprache bei Jugendlichen in Osttirol
- Title
- Jugendkommunikation und Dialekt
- Subtitle
- Syntax gesprochener Sprache bei Jugendlichen in Osttirol
- Author
- Melanie Lenzhofer
- Publisher
- De Gruyter Open Ltd
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-050330-2
- Size
- 14.8 x 22.0 cm
- Pages
- 502
- Category
- Geographie, Land und Leute