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Während sich Raimann, wie die anderen Angehörigen der Reisegesellschaft
auch, bei den Poststationen die Beine vertreten und die durch die holprige
Fahrt durchgebeutelten Knochen wieder in die gehörige Position bringen
konnte, musste der arme Hofreise-Rechnungsführer Scharff stets rechnen
und die Kasse in Ordnung halten. Die bei den angeführten Geldsummen
verwendeten Währungseinheiten „fl.“ und „kr.“ bezeichnen Gulden und
Kreuzer, wobei ein Gulden in 60 (ab 1858 dann 100) Kreuzer unterteilt wur-
de.67
Die Reise war also gut geplant und vorbereitet. Warum aber fand sie über-
haupt statt? Der am 12. Februar 1768 in Florenz geborene Franz I. war im
Mai 1832 64 Jahre alt, befand sich also nicht mehr in jener vollsten jugendli-
chen Blüte, die die Strapazen einer Reise vergessen und auch eine anstren-
gende Kutschenfahrt zu einem abenteuerlichen Pläsier macht. Im Jahr 1832
hatte Franz I. jedoch wahrlich Grund zum Feiern: Vierzig Jahre zuvor hatte
er sein Herrscheramt angetreten. Am 6. Juni 1792 war er in Buda zum Apos-
tolischen König von Ungarn gekrönt worden, am 9. August im Prager Veits-
dom zum König von Böhmen, und dam 14. Juli war ihm in Frankfurt am
Main die wohl prestigeträchtigste Krone jener Zeit aufs Haupt gesetzt wor-
den, die des römisch-deutschen Kaisers.68 Nur war diese Krone allerdings
dabei, ihre Strahlkraft zu verlieren. Die Französische Revolution und in ihrer
Folge die Bestrebungen Napoleons, Europas Politik und Landkarte gründlich
umzugestalten, führten zur zunehmenden Desintegration des Heiligen Römi-
aus liegenden Poststationen vorbestellten Pferde zu entrichten, das Trinkgeld verblieb
dem Postillon, und das Schmiergeld sollte wohl die Finanzierung der Wagenschmier
sicherstellen; zu diesen Tarifen vgl. Helmedach, Das Verkehrssystem als Modernisie-
rungsfaktor, S. 235-238.
67 Laut Auskunft der OeNB betrug im Jahr 1999 der umgerechnete Wert eines Guldens
zum Geldwert von 1830 ungefähr 205 ÖS, was in etwa 15 € entspricht; für diese Aus-
kunft bin ich dem Rechtshistoriker Helmut Gebhardt zu Dank verpflichtet. Allerdings sei
darauf hingewiesen, dass derlei Umrechnungen von Währungen über die Jahrhunderte
hinweg nur sehr beschränkt aussagekräftig sind. Wer viel reist, kann den Unterschied
von Kaufkraft ein und derselben Währung in verschiedenen Ländern leicht selbst fest-
stellen; so sind 10 € in Syrien etwa viel mehr wert als in Österreich.
68 Zu Franz I. vgl. Gerhard Hartmann, Karl Rudolf Schnith (Hrsg.), Die Kaiser. 1200
Jahre europäischer Geschichte (Graz u.a. 1996), S. 659-683; ADB, Bd. 7, s.v. Franz I.
(Josef Karl), S. 285-290; Heinrich Drimmel, Kaiser Franz. Ein Wiener übersteht Napole-
on (Wien, München 1981).
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Johann Nepomuk Raimanns Reise mit Kaiser Franz I. im Jahre 1832