Page - 104 - in Des Kaisers Leibarzt auf Reisen - Johann Nepomuk Raimanns Reise mit Kaiser Franz I. im Jahre 1832
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104 enthalten ist, nachher eine gallichte, verschieden gefärbte, scharfe, übel rie-
chende, mit mehr oder weniger Schleim, manches Mahl auch mit Blut ver-
mischte Flüssigkeit ausgeleert. Diese Anfälle von Erbrechen und Durchfall
kommen so schnell auf einander, daß derer wohl mehr als dreyßig binnen we-
nigen Stunden gezählt werden können. Bey Fortdauer und zunehmender Hef-
tigkeit des Uebels sinken die Kräfte schnell, der Puls wird sehr schwach und
kaum fühlbar, das Gesicht eingefallen, blaß und entstellt, der mit zähem
Schweiße bedeckte Körper kalt, die Nägel blau, es treten Ohnmachten,
Krämpfe und Zuckungen in bestimmten Theilen, z. B. im Schlunde, Zwerch-
felle, in den Arm- und Wadenmuskeln, Irrereden ein, und entweder schon am
ersten, zweyten, dritten oder vierten Tage erfolgt der Tod, unter Zufällen von
Erschöpfung der Lebenskräfte, oder von Schlagfluß; oder die Krankheit geht
in Entzündung des Magens oder der Gedärme, die oft durch Brand tödtlich
wird, oder bey bald erfolgendem Nachlasse und weiterem gelinden Verlaufe
in unserem Klima auch oft genug, unter kritischen Schweißen und Urinen, in
Genesung über.“87
Das Krankheitsbild konnte Raimann also recht eingehend beschreiben, aber
schon seine Antworten auf die Frage, was denn die Ursache der Cholera sei,
klingen recht vage und unpräzise. So brächten gewisse Veranlagungen er-
höhte Gefahr mit sich, an Cholera zu erkranken. Menschen, die eine „große
Reizbarkeit und Schwäche des Magens und Darm-Canals“ aufweisen, seien
ebenso gefährdet wie „Kinder zur Zeit des Zahnens“, und „hysterische, hy-
pochondrische und gallsüchtige Individuen sind zur Cholera sehr geneigt.“
Weiters könnten „Gelegenheitsursachen“ Cholera auslösen; solche „Gele-
genheitsursachen“ seien unter anderem „jeder bedeutende Diätfehler, beson-
ders zu reichlicher Genuß kalter und säuerlicher Getränke sowie eines jun-
gen noch nicht ausgegohrnen Bieres, des Mostes, kühlender Obstarten als:
Pfirsiche, Melonen, Gurken u.s.w.“ Aber auch „heftige Gemüthsbewegun-
gen, vorzüglich Zorn, Aerger, Schrecken“ könnten, ähnlich wie die „Unter-
drückung normaler oder gewohnter Säfteausleerungen, besonders des
Schweißes“ oder wie die „mangelhafte Ausbildung oder Unterdrückung
eines Gichtanfalles“ Cholera-Erkrankungen zur Folge haben.88
Die vermeintlichen Ursachen waren also mannigfaltig; und ebenso mannig-
faltig waren die aus heutiger Sicht das Übel wohl noch vermehrenden Be-
handlungsmaßnahmen:
87 Raimann, Handbuch, Bd. 2, S. 452f.
88 Raimann, Handbuch, Bd. 2, S. 454.
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Johann Nepomuk Raimanns Reise mit Kaiser Franz I. im Jahre 1832