Page - 108 - in Des Kaisers Leibarzt auf Reisen - Johann Nepomuk Raimanns Reise mit Kaiser Franz I. im Jahre 1832
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nen der Augenlider am linken Auge Se. Maj. Bey Schonung der Augen ver-
loren sich dieselben bis zum 21.t gänzlich.“
Am 18. Mai in Laibach/Ljubljana, der damaligen Hauptstadt Krains und des
Königreichs Illyriens, der heutigen Hauptstadt Sloweniens, eingetroffen,
wurde Raimann in dieser Stadt mit einer Nachricht konfrontiert, die ihn so
recht in Rage versetzte: „Zu Laibach erfuhr ich, daß von dortigen Geistli-
chen, einem Dom-Kapellan an der Spitze Homöopathie ausgeübt u[nd] sogar
Medicamente verabreicht werden […].“ Damit aber nicht genug, diese ho-
möopathische Ungeheuerlichkeit wurde noch dadurch auf die Spitze getrie-
ben, dass die gesellschaftliche Elite vor Ort, allen voran der Gouverneur
Baron Schmiedburg, der Landrechts-Präsident Buzzi und der pensionierte
Protomedicus Kogel dieses Treiben schützten und förderten, ja, sogar selbst
ausübten! So weit war es schon gekommen, „daß von den Geistlichen auf
dem Lande sehr viel Unfug damit getrieben, das Landvolk bethört, gegen die
Aerzte eingenommen, und daß die Wundärzte, um nicht fast erwerblos zu
schmachten, indirekt gezwungen werden, mit den homöopathisirenden
Geistlichen gemeinschaftliche Sache zu machen.“
Nun, dass die offene, von der lokalen Obrigkeit geduldete und geförderte
Ausübung der Homöopathie Raimann wenig erfreuen konnte, ist verständ-
lich, war er doch „ein entschiedener Anhänger der exspectativen Heilmetho-
de“, der sich als solcher „ebenso fern von einer übergeschäftigen Polyphar-
macie, wie von den Träumereien der Homöopathen“ hielt.98 Raimann hielt
also von vornherein nicht viel von der Homöopathie. Sein Zorn wurde noch
verstärkt durch die Tatsache, dass Geistliche ihre Stellung und das Vertrau-
en, das ihnen von der Bevölkerung entgegengebracht wurde, dazu miss-
brauchten, selbst nach homöopathischen Methoden Krankheiten zu behan-
deln und so den studierten Ärzten und Wundärzten in einem Ausmaß Kon-
kurrenz zu machen, dass deren Auskommen gefährdet zu sein schien. Ein
Geistlicher war für die ihm anvertrauten Gläubigen offenbar nicht bloß Seel-
sorger und Wegweiser in Glaubensfragen, sondern auch „Hirt, Lehrer, Füh-
98 Puschmann, Die Medicin in Wien, S. 140. Die „exspectative“ oder „abwartende Me-
thode“ ging davon aus, dass man über Ursachen und Verlauf der Krankheiten noch zu
wenig wisse und dass daher nicht voreilig zu unvorsichtigen Behandlungsweisen gegrif-
fen werden dürfe; die „abwartende Methode war eine wahre Erlösung der leidenden
Menschheit.“ (Hallier, Kulturgeschichte, S. 458.) Raimann, der sehr wohl noch zu über-
kommenen Mitteln wie dem Aderlass griff, kann aber, rĂĽckblickend, nicht uneinge-
schränkt als Anhänger der „abwartenden Methode“ bezeichnet werden.
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Des Kaisers Leibarzt auf Reisen
Johann Nepomuk Raimanns Reise mit Kaiser Franz I. im Jahre 1832