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weitere 11 Jahre am Leben bleiben und 88 Jahre alt werden; ihm selbst ha-
ben also seine umstrittenen Heilmethoden, die er ja im Selbstversuch getestet
hatte, zumindest nicht geschadet.
Im Hintergrund der Kontroverse um die Homöopathie stand und steht eine
Frage, die mit der rapide fortschreitenden Entwicklung und immer gröĂer
werdenden Bedeutung wissenschaftlicher Denk- und Argumentationsweisen
im 19. Jahrhundert eine entscheidende Bedeutung fĂŒr die Medizin gewinnen
sollte: Ist die Medizin eine Kunst oder eine (möglichst âexaktâ arbeitende)
Wissenschaft? Gewiss wurde diese Frage hĂ€ufig ĂŒberspitzt gestellt, aber
diese Unterscheidung von wissenschaftlicher Medizin und bloĂer hand-
werksmĂ€Ăiger Heilkunst spielte in der Debatte eine gewichtige Rolle. Nicht
ohne Parteinahme fĂŒr die Homöopathie brachte Rudolf Tischner, einer der
frĂŒhen Historiographen der Homöopathie, dies so auf den (doch recht zuge-
spitzten) Punkt:
âDer eine Ausspruch lautet: âDes Arztes höchster und einziger Beruf ist kran-
ke Menschen gesund zu machen, was man Heilen nennt. Nicht aber das Zu-
sammenspinnen leerer EinfĂ€lle und Hypothesen ĂŒber das innere Wesen des
Lebensvorgangs und der Krankheitsentstehung im unsichtbaren Innern zu
sog. Systemen, oder die unzĂ€hligen ErklĂ€rungsversuche ĂŒber die Erscheinun-
gen in Krankheiten und die ihnen stets verborgen gebliebene nÀchste Ursache
derselben.â Die andere lautet: âNach der Summe seines Wissens und nicht
nach dem Erfolge seiner Kuren muĂ der Arzt beurteilt werden. Am Arzt muĂ
der Naturforscher und nicht der HeilkĂŒnstler geschĂ€tzt werden. Solange die
Medizin eine Kunst ist, wird sie keine Wissenschaft, solange es glĂŒckliche
Ărzte gibt, solange gibt es keine wissenschaftlichen Ărzte⊠Im Wissen, nicht
im Handeln liegt unsere Kraft.â
Der Urheber der ersten AnfĂŒhrung ist Samuel Hahnemann, der GrĂŒnder der
Homöopathie (1755-1843), der der zweiten Joseph Dietl (1804-1878), ein an-
gesehener, wenn auch extremer AnhÀnger der auf der pathologischen Anato-
mie fuĂenden nihilistischen Wiener Schule, der das Erkennen fast alles und
das Heilen fast nichts bedeutete.â102
FĂŒr Johann Nepomuk Raimann, der die Medizin studiert und ausgeĂŒbt hatte,
bevor diese vor dem Hintergrund einer zunehmenden Verwissenschaftli-
chung postulierte, auf die Spitze getriebene Dichotomie von Heilen und
Wissen ĂŒberhaupt erst möglich geworden war, mochte diese exklusive Al-
ternative unverstÀndlich sein: Gewiss glaubte er, beides zu können, wissen
102 Tischner, Geschichte der Homöopathie, Teil 1, S. 3.
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Johann Nepomuk Raimanns Reise mit Kaiser Franz I. im Jahre 1832