Page - 143 - in Des Kaisers Leibarzt auf Reisen - Johann Nepomuk Raimanns Reise mit Kaiser Franz I. im Jahre 1832
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heimische Menschenschlag schien ihn wenig beeindruckt zu haben, er nann-
te die Bevölkerung kurz „größtentheils dürftig“; und von den beiden Kran-
ken- und Versorgungshäusern der Stadt befand er das den Männern vorbe-
haltene unter der Domkirche für „mittelmäßig“, das für Frauen reservierte,
welches mitten im Gassengewirr lag, für „finster, traurig und fast ohne Luft-
bewegung“. Eine ähnliche Tristesse also wie in Parenzo, und dabei hatte
Raimann Glück, dass er Rovigno „bey dem schönsten Wetter“ besichtigen
konnte, denn auch heutige Reiseführer stellen fest, dass diese Stadt „bei un-
günstigem Wetter den Eindruck frostig-öder Verlassenheit machen“ kann.169
So aber bewunderte Raimann die vom Turm der Domkirche aus sich bieten-
de „herrliche Aussicht über das weite Meer“; bis Parenzo im Norden und bis
Pola im SĂĽden hatte er alles im Blick.
Im Blick hatte er auch zwei Besonderheiten Rovignos: Zum einen ein bereits
aufgelassenes Krankenhaus fĂĽr Scherlievo-Kranke, zum anderen das Ge-
fängnis der Stadt. Zunächst zum Krankenhaus. Raimann berichtet, dass der
ehemalige Leiter des Spitals fĂĽr an Scherlievo leidende Menschen, ein ge-
wisser Dr. Antonini, die Symptome von Scherlievo mit denen der Syphilis
verglichen hat, „nur modifizirt durch Klima, Individualität, Lebensweise
usw.“ Aus den heutigen medizinischen Lexika ist Scherlievo verschwunden,
es handelt sich dabei also um ein Leiden, das es mittlerweile – zumindest als
eigenständige Krankheit – nicht mehr gibt. Raimanns Bemerkung, dass das
Scherlievo-Spital „schon vor geraumer Zeit aufgelassen worden ist“, belegt,
dass diese Krankheit auch im Jahr 1832 nicht mehr zu den akut gefĂĽrchteten
gehörte. Das war zu Beginn des 19. Jahrhunderts noch anders gewesen; las-
sen wir uns von dem Mediziner Heinrich August Hacker belehren, der in
einem Aufsatz aus dem Jahre 1851 schreibt:
„Der Scherlievo, so genannt von einem armen, unreinlichen Dorfe des Krei-
ses Fiume in Illyrien (daher auch: die Krankheit von Fiume, Morbus illyri-
cus), zeigte sich zuerst 1800, und litten bereits das nächste Jahr, den Berich-
ten einer ärztlichen Commission zufolge, unter einer Bevölkerung von 38,000
Menschen ĂĽber 13,000 daran. In den Jahren 1808 und 1809 wĂĽthete die
Krankheit mit erneuter Heftigkeit. Während österreichische und französische
Ă„rzte die Krankheit mehr fĂĽr syphilitischen Ursprungs halten, schreibt ihr
Michabelles eine lepröse Natur zu, und der neueste und beste Berichterstatter
darĂĽber, welcher sie aus eigener Anschauung kennt, de Moulon, hebt als
Hauptveranlassung die nothgedrungene Lebensweise der dortigen Bewohner
169 ZĂĽrcher, Friaul und Istrien, S. 416.
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Johann Nepomuk Raimanns Reise mit Kaiser Franz I. im Jahre 1832