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144 und endemische EinflĂĽsse hervor. Allgemeine Symptome, als: Mattigkeit,
Schmerzen in den Knochen, zuweilen der Muskeln, gehen auch hier den Af-
fectionen des Schlundes, der Nase, Augenlider u.s.w. voraus. Flecken auf,
flache GeschwĂĽre in und bisweilen erbsengrosse GeschwĂĽlste unter der Haut,
mitunter tophusartige Knochenauftreibungen bilden das 2. Stadium. Das 3.
zeichnet sich durch Eiterung der geschwollenen Partien aus. de Moulon versi-
chert, Kranke gesehen zu haben, bei welchen das ganze Gesicht, andere Male
die Schenkel, ein einziges GeschwĂĽr darstellten. Affectionen der
Geschlechtstheile kommen selten, nie primär vor. Die Krankheit bleibt Jahre
lang stationär, nimmt selbst bei Vernachlässigung nicht immer zu, ja ver-
schwindet sogar ohne ein diätetisches Verhalten. Kohlenbrenner sollen von
ihr verschont werden.“170
Es scheint sich bei dem Scherlievo also um ein späteres Stadium der Syphilis
gehandelt zu haben. Als Heilmittel empfahl Dr. Antonini, der ehemalige
Leiter des Scherlievo-Spitals in Rovigno, Sublimat, also Quecksilber(II)-
Chlorid, ein äußerst giftiges Salz, das beim Erhitzen leicht sublimiert, also in
den gasförmigen Zustand übergeht und deshalb eben Sublimat genannt
wird.171 Seiner pilztötenden Wirkung wegen wurde es zur Imprägnierung
von Holz und zum Beizen des Saatguts verwendet und, weil es auch antisep-
tisch wirkt, als Desinfektionsmittel und – in starker Verdünnung – als Arz-
nei, unter anderem gegen den Scherlievo. Seltsam mutet das gehäufte, lokal
und zeitlich beschränkte Auftreten dieser Krankheit im dalmatinischen Küs-
tengebiet an. Offensichtlich war aber 1832 auch Illyrien von der „illyrischen
Krankheit“ nicht mehr allzu stark betroffen.
Sehr wohl betroffen aber war Illyrien, wie alle anderen Regionen der Habs-
burgermonarchie, ja ganz Europas, auch, von der Kriminalität. Wir haben
bereits erörtert, dass die staatlichen Disziplinierungsmaßnahmen der frühen
Neuzeit dazu fĂĽhrten, dass Menschen, die sich nicht in das neue Schema des
brauchbaren Untertanen pressen und durch Institutionen wie Schule und
Militär erziehen lassen wollten, die sich also gegen die „Integration in den
170 Heinrich August Hacker, Die Ansteckungsfähigkeit syphilitischer Secundärleiden,
erläutert durch die bekannten Formen der sogen. Syphilis modificata, in: Hermann Eber-
hard Richter, Adolf Winter (Red.), Carl Christian Schmidt’s Jahrbücher der in- und aus-
ländischen gesammten Medicin, Bd. 71 (Leipzig 1851), S. 103-109, 104f.
171 Zum Sublimat vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Quecksilber(II)-chlorid. Vgl. auch
Franz von Buchhausen (Hrsg.), Hagers Handbuch der pharmazeutischen Praxis, Bd. 9
(Stoffe P-Z) (Berlin u.a. 51994), S. 472.
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Des Kaisers Leibarzt auf Reisen
Johann Nepomuk Raimanns Reise mit Kaiser Franz I. im Jahre 1832