Page - 198 - in Des Kaisers Leibarzt auf Reisen - Johann Nepomuk Raimanns Reise mit Kaiser Franz I. im Jahre 1832
Image of the Page - 198 -
Text of the Page - 198 -
198
den sollen“, vorzufinden. Außerdem konnte er nicht verstehen, warum die
Versorgung des Spitals mit Wasser mühselig bewerkstelligt wurde, wo doch
nahebei ein Bach vorbeifloss, „aus welchem die Anstalt mittelst einer gar
nicht kostspieligen Leitung mit der benöthigten Quantität Wassers im Winter
u Sommer gleichmäßig versorgt werden könnte.“ Man sieht, auch in einem
Zeitalter, das sich der Vernunft verpflichtet fühlte, wurde nicht nur vernünf-
tig gehandelt.
Da der Aufenthalt in Salzburg nur eineinhalb Tage währte, hatte Raimann
kaum Zeit für Besichtigungen touristischer Natur; nur nebenbei erwähnt er
das Schloss Mirabell „mit dem hübschen Garten im alten französischen stei-
fen Geschmacke“262 und die Sommerreitschule. Einer – allerdings schon vor
einiger Zeit verstorbenen – Persönlichkeit erwies Raimann eine besondere
Ehre: Er besuchte das Grab des Paracelsus. Der im 16. Jahrhundert wirkende
Paracelsus, mit bürgerlichem Namen Philippus Theophrastus Aureolus
Bombastus von Hohenheim genannt, war ein ganzheitlich denkender Medi-
ziner gewesen, der die Medizin nur dann auf einem guten Pfade sah, wenn
sie redlich und unter Bedachtname auf die Bedürfnisse des Volkes betrieben
wurde. Für ihn war die Heilung von Krankheiten kein einseitig rationales
Unterfangen; er war stets darauf bedacht, sich um die Gnade Gottes, die
seines Glaubens für den Erfolg eines Arztes unabdinglich war, zu bemühen,
ohne aber die Bedeutung von Philosophie, Astronomie und Alchemie zu
schmälern. Paracelsus lebte in einer Zeit, die in ihrem Denken und Fühlen
Platz für geistige Entitäten hatte, und so kann es nicht verwundern, dass er
glaubte, neben der Konstitution eines Menschen und der Wirkkraft von Gif-
ten auch den Einfluss der Sterne, das Treiben von Geistern und das unmittel-
bare Eingreifen Gottes als Ursachen von Krankheiten dingfest machen zu
können. Derlei Geisterglauben und Bedachtnahme auf kosmische Zusam-
menhänge mussten Raimann, der ja ein Kind der Spätaufklärung war, selt-
sam und überflüssig vorkommen. Allerdings war Raimann selbst noch ein
Vertreter einer Medizin, die sich noch nicht gänzlich dem naturwissenschaft-
262 Zum Barockgarten von Mirabell vgl. Géza Hajós (Red.), Historische Gärten in Öster-
reich. Vergessene Gesamtkunstwerke (Wien u.a. 1993), S. 150-156. Zur Entwicklung der
Gartenkultur allgemein und zu den diversen italienischen, französichen, englischen etc.
Gartenkonzepten vgl. Torsten Olaf Enge u.a., Gartenkunst in Europa 1450-1800. Vom
Villengarten der italienischen Renaissance bis zum englischen Landschaftsgarten (Köln
u.a 1994); Hansjörg Küster, Ulf Küster (Hrsg.), Garten und Wildnis. Landschaft im 18.
Jahrhundert (München 1997); Michel Saudan, Sylvia Saudan-Skira, Zauber der Garten-
welt (Köln 1997).
back to the
book Des Kaisers Leibarzt auf Reisen - Johann Nepomuk Raimanns Reise mit Kaiser Franz I. im Jahre 1832"
Des Kaisers Leibarzt auf Reisen
Johann Nepomuk Raimanns Reise mit Kaiser Franz I. im Jahre 1832