Page - 203 - in Des Kaisers Leibarzt auf Reisen - Johann Nepomuk Raimanns Reise mit Kaiser Franz I. im Jahre 1832
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Budweis in Anwesenheit des Kaiserpaares offiziell eröffnet.“271 Raimann
teilt uns mit, dass die Eisenbahnstrecke noch nicht durchgehend befahrbar
war, da „nur eine Strecke von einer Stunde Weges im nahen Gebirge noch
nicht hergestellt ist“; dass aber die Fertigstellung noch im August 1832 er-
folgen sollte. Nach Raimanns Information war die Bahn „hauptsächlich für
Salztransporte nach Budweis an die Moldau bestimmt“. Der Initiator des
Baus dieser Eisenbahnstrecke, Franz Anton Gerstner, hatte ursprĂĽnglich
freilich viel weitreichendere Pläne, ihm ging es nicht nur um den Transport
von österreichischem Salz nach Böhmen. Gerstner, der, bevor er sich ganz
dem Eisenbahnbaue widmete, Professor fĂĽr Praktische Geometrie am Poly-
technischen Institut in Wien gewesen war, veröffentlichte 1824 eine Schrift
mit dem Titel „Über die Vortheile der Anlage einer Eisenbahn zwischen
Moldau und Donau“,272 in der er seinen ökonomischen Weitblick verraten-
den Plan, mittels der Linz-Budweiser Bahnstrecke das Schwarze Meer mit
der Nordsee wirtschaftlich in direkte Verbindung zu setzen, vorstellte. Er sah
vor seinem geistigen Auge, wie die HandelsgĂĽter der Levante die Donau
heraufgeschifft, in Mauthausen (Linz wurde erst 1830 als Ausgangspunkt
der Bahn festgelegt) auf seine Eisenbahn verladen und dann in Bud-
weis/České Budějovice wieder auf Schiffe verfrachtet wurden, um schließ-
lich ĂĽber die Wellen von Moldau und Elbe nach Hamburg und damit auf den
nordeuropäischen Markt zu gelangen. Gerstner hatte also die Vision vor
Augen, dass sich der Kaiserstaat Ă–sterreich als Drehscheibe fĂĽr den gesamt-
europäischen Handel und Verkehr etablieren und so zu einer wirtschaftlichen
GroĂźmacht aufsteigen sollte, und die Bahn zwischen Budweis und Linz war
das zentrale Verbindungselement in diesen Plänen.273 Freilich konnte der
271 Helmut P. Einfalt, Linz – Donau. Kulturhauptstadt Europas 2009. Ein illustriertes
Reisebuch (Bremen ²2005), S. 48.
272 Franz Anton Gerstner, Ăśber die Vortheile der Anlage einer Eisenbahn zwischen
Moldau und Donau (Wien 1824).
273 Zu Gerstner und zur Pferdebahn Linz-Budweis vgl. Nikolaus Reisinger, „Vivat! – Es
lebe die Eisenbahn…“. Die Anfänge des Eisenbahnbaus in Österreich. Begleitband zur
gleichnamigen Ausstellung an der Universitätsbibliothek Graz (Graz 2002), S. 23-28;
Einfalt, Linz – Donau, S. 46-49. Vgl. weiters Franz Aschauer, Oberösterreichs Eisenbah-
nen. Geschichte des Schienenverkehrs im ältesten Eisenbahnland Österreichs (Wels
1964); Anton Adalbert Klein, Die Pferdeeisenbahn Linz-Budweis. Erste Eisenbahn des
europäischen Kontinents (Wien 1983); Franz Pfeffer, Günther Kleinhans, Budweis –
Linz – Gmunden. Pferdeeisenbahn und Dampfbetrieb auf 1106 mm Spurweite (Wien
1982). Dem Grazer Wirtschafts- und Kulturhistoriker Nikolaus Reisinger, der sich u.a.
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Johann Nepomuk Raimanns Reise mit Kaiser Franz I. im Jahre 1832