Page - 204 - in Des Kaisers Leibarzt auf Reisen - Johann Nepomuk Raimanns Reise mit Kaiser Franz I. im Jahre 1832
Image of the Page - 204 -
Text of the Page - 204 -
204
eisenbahnbegeisterte Visionär seinen Plan nicht umsetzen, da er in Konflikt
mit den Aktionären der „k. k. privilegierten Ersten Eisenbahngesellschaft“
geriet; Gerstner sah, dass die Zukunft der Eisenbahn in der Dampflokomoti-
ve lag, aber die Einrichtung der Strecke fĂĽr den Dampfbetrieb war den Akti-
onären, die zu hohe Kosten und zu geringe Renditen fürchteten, zu teuer.
1829 verlieĂź Gerstner daher die Eisenbahngesellschaft und versuchte fortan
in anderen Staaten, in Russland zunächst, und dann in den USA, den Eisen-
bahnbau im groĂźen MaĂźstab voranzutreiben. Die Bahn zwischen Budweis
und Linz aber wurde als Pferdeeisenbahn gebaut, und zwar unter der Leitung
von Gerstners vormaligen Assistenten Matthias Schönerer. Sie war knapp
130 km lang; bis 1836 wurde sie dann noch von Linz nach Gmunden und
damit um weitere 68 km verlängert.274 „Damit repräsentierte diese Bahn die
damals längste Eisenbahn des europäischen Kontinents.“275 Auch als Pferde-
eisenbahn war die Bahn Linz-Budweis also ein epochemachendes Projekt,
das eine Pionierleistung darstellte, war sie doch „hinsichtlich ihrer Dimensi-
on die erste ihrer Art auf dem europäischen Festland. Darüber hinaus über-
traf sie die in sie gesetzten Hoffnungen bezĂĽglich der zu erwartenden Trans-
portkapazitäten bei weitem.“276 Die etwa 800 Zugpferde, ca. 60 Personen-
und ca. 760 GĂĽterwagen, die der Pferdeeisenbahn zur VerfĂĽgung standen,
waren voll ausgelastet, auch wenn sie nun, wie Raimann berichtet, vor allem
dem Transport von österreichischem Salz diente, anstatt die Schätze der
Levante durch Mitteleuropa zu karren. Und die Aktionäre der „k. k. privile-
gierten Ersten Eisenbahngesellschaft“ hatten in ein doch recht einträgliches
Projekt investiert, sie erhielten für „die ganze Dauer des Bestehens der Ge-
sellschaft immer eine Dividende von mindestens fünf Prozent.“ Allerdings
wäre die Freude der Aktienbesitzer wohl noch größer gewesen, wenn sie auf
Franz Anton Gerstner gehört und die Bahn für den Dampfbetrieb eingerich-
tet hätten. So erwies sie sich für die sich bald durchsetzenden Dampfloko-
motiven (unter anderem wegen ihrer zu kleinen Kurvenradien) als untauglich
und musste 1874 endgültig aufgelassen werden. „Heute dient die erste Ei-
der Erforschung der österreichischen Eisenbahngeschichte widmet, schulde ich Dank für
seine Hinweise und für die Gespräche, die ich mit ihm zu diesem Thema führen durfte.
274 Die Bahn von Gmunden nach Linz wurde von dem aus Triest stammenden Ingenieur
Franz Zola begonnen, der aber, ähnlich wie Gerstner, noch vor Fertigstellung der Strecke
emigrierte, und zwar nach Frankreich; zu Franz Zolas weiterer Karriere soll weiter unten
noch etwas mehr berichtet werden.
275 Reisinger, „Vivat! – Es lebe die Eisenbahn…“, S. 26.
276 Reisinger, „Vivat! – Es lebe die Eisenbahn…“, S. 28.
back to the
book Des Kaisers Leibarzt auf Reisen - Johann Nepomuk Raimanns Reise mit Kaiser Franz I. im Jahre 1832"
Des Kaisers Leibarzt auf Reisen
Johann Nepomuk Raimanns Reise mit Kaiser Franz I. im Jahre 1832