Page - 31 - in Die kaiserliche Gemäldegalerie in Wien und die Anfänge des öffentlichen Kunstmuseums - Die Kaiserliche Galerie im Wiener Belvedere (1776–1837), Volume 1
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31 Fischer
Kunst nach Ordnung, Auswahl und System
Überlegungen zu einer neuen Ordnung und Präsentation der kaiserlichen Galerie haben
das Programm zur Reorganisation der kaiserlichen Gemäldegalerie initiiert und geleitet. Aus
den in neun Punkten formulierten Forderungen lässt sich im Generellen ein Ideal heraus-
lesen, das auf der Versammlung der kostbarsten Meisterwerke in der kaiserlichen Galerie
beruht, ohne dass jedoch im Einzelnen auf den konkreten Bestand der Sammlung einge-
gangen worden wäre. Ob die 1772 tatsächlich einsetzende Neuordnung der kaiserlichen
Galerie in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Programm zur Reorganisation der kai-
serlichen Gemäldegalerie von 1765 steht, muss daher offen bleiben. Obwohl das haupt-
sächlich auf den Rang der kaiserlichen Galerie zugeschnittene Programm kaum dazu ge-
eignet gewesen wäre, die sieben Jahre später in Angriff genommene, umfassend angeleg-
te Unternehmung in sämtlichen Aspekten zu ,tragen‘, konnte es zumindest einige
Anregungen bieten: die Bestellung eines Galeriedirektors, dem im Zusammenhang einer
verstärkten Institutionalisierung und Autonomie des Sammlungsbetriebs eine bedeuten-
dere Rolle in Fragen der Auswahl und der Hängung der Bilder zukommt; die Aufrichtung
eines Inventars, das den gesamten für die kaiserliche Galerie in Frage kommenden Gemäl-
debestand erfasst; und eine Neuaufstellung der Galerie, die auf umfangreichen Zusam-
menziehungen der „besten“ und Auslagerungen der schlechteren Gemälde beruht.
JOSEPH ROSA: NEUORDNUNG DER KAISERLICHEN
GEMÄLDESAMMLUNG
1772 ging man endlich daran, die kaiserliche Galerie einer umfassenden Neuordnung zu
unterziehen. Im Oktober desselben Jahres wurde dazu ein neuer Direktor bestellt. Die
Wahl fiel „in ansehung seiner rühmlichsten eigenschaften, besonderer fähig- und ge-
schicklichkeit auch ächter kenntniß und richtiger beurtheilung deren gemählden [...]“ auf
den Dresdner Hofmaler und Professor der Akademie Joseph Rosa.32 Aus Wien stammend
und an der Wiener Akademie ausgebildet, war Rosa 1747 als Mitarbeiter dem Bühnenbild-
ner, Theateringenieur, Zeichner und Maler Giuseppe Galli-Bibiena nach Dresden gefolgt
und nach dessen Abgang in Dresden geblieben.33 Als kursächsischer Hofmaler tätig, ge-
hörte er ab 1765, ein Jahr nach der Gründung der Dresdner Akademie, als Professor für
Landschaftsmalerei dem Kollegium an. Als Künstler war Rosa durch den kaiserlichen Auf-
trag der Ausstattung von drei Räumen in Schloss Schönbrunn mit 17 Landschaftsbildern,
die zwischen 1761 und 1769 entstanden, ausgewiesen, und seine didaktischen Fähigkei-
ten waren unbestritten. Laut dem Dresdner Akademiedirektor Christian Ludwig Hagedorn
war er einer jener Professoren, die „zum ersten Rufe der Akademie beigetragen“ haben.34
(Abb. 7)
Dass die Wahl mit Joseph Rosa auf einen ausübenden Künstler fiel, erscheint angesichts
der verlangten Qualifikationen – fundierte Kenntnisse in Fragen der Zuschreibung, der
konservatorischen Behandlung und ästhetischen Beurteilung von Gemälden – zunächst
überraschend. In der Museumspraxis des 18. Jahrhunderts waren jedoch die Restaurie-
rung der Gemälde sowie die Kennerschaft unmittelbar an maltechnisches Know-how ge-
knüpft, die nur ein Künstler mitzubringen vermochte. Ebenso spielte in der tradierten Vor-
stellung vom ,Künstlerdirektor‘ eine Rolle, dass dieser das äußerst diffizile Arrangement
von Gemälden an der Wand selbst wie ein Kunstwerk zu gestalten wusste.35 Und nicht zu-
letzt war für die Bestellung eines Akademieprofessors die allgemein enge Verbindung von
Akademien zu Galerien von Bedeutung, die ebenso als Einrichtung zur Ausbildung von
Künstlern, die dort die großen Meister studieren sollten, angesehen wurde. Die Studenten
hatten sowohl in Wien als auch in Dresden Zugang zur Galerie, und die Professoren waren
angehalten, sie nach Gemälden der Galerie kopieren zu lassen. Während Rosas Lehrtätig- Abb. 7
Martin Knoller, Der Maler und Galeriedirek-
tor Joseph Rosa d. Ä., 1791, Leinwand, 83,5 x
64,5 cm. Wien, Belvedere, Inv.-Nr. 4072
Die kaiserliche Gemäldegalerie in Wien und die Anfänge des öffentlichen Kunstmuseums
Die Kaiserliche Galerie im Wiener Belvedere (1776–1837), Volume 1
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Die kaiserliche Gemäldegalerie in Wien und die Anfänge des öffentlichen Kunstmuseums
- Subtitle
- Die Kaiserliche Galerie im Wiener Belvedere (1776–1837)
- Volume
- 1
- Author
- Gudrun Swoboda
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2013
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79534-6
- Size
- 24.0 x 28.0 cm
- Pages
- 312
- Category
- Kunst und Kultur