Page - 32 - in Die kaiserliche Gemäldegalerie in Wien und die Anfänge des öffentlichen Kunstmuseums - Die Kaiserliche Galerie im Wiener Belvedere (1776–1837), Volume 1
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Fischer
Kunst nach Ordnung, Auswahl und System
keit in Dresden wurden die Akademieprofessoren sogar verpflichtet, die Gemäldekopien
der Studenten vor Ort, in der Galerie zu korrigieren.36 Eine jahrelange Beschäftigung Rosas
mit den Werken der Galerie im Stallgebäude am Jüdenhofe in Dresden und damit mit dem
Gemäldebestand und der Ordnung einer der bedeutendsten und innovativsten Sammlun-
gen des 18. Jahrhunderts kann somit vorausgesetzt werden.
Als Galeriedirektor wurde Joseph Rosa anfänglich von Anton von Maron unterstützt,
der schon vor Rosas Amtsantritt mit der weitreichenden Vollmacht ausgestattet wurde,
„die in der allhiesigen kaiserlich königlichen schazcammer oder zu Presburg oder in ande-
ren kaiserlich königlichen schlößern und gebäuden vorfindige bilder und gemählde nach
gutdünken ansehen, untersuchen und ohne weitere anfrage in die kaiserlich königliche
galerie transportieren laßen könne.“37 Offenbar hatte Maron die Gemälde in Ambras ge-
sichtet; seine Expertisen zu einigen Gemälden der Sammlung wurden im Ambraser-Inven-
tar von 1773 vermerkt.38 Nachweislich hatten Maron und Rosa die erste Auswahl der Ge-
mälde für die Neuaufstellung aus den Beständen der Depots der kaiserlichen Galerie und
der Schatzkammer gemeinsam getroffen.39 Schon Anfang Dezember 1772 befand sich
Maron jedoch wieder in Italien,40 und alle späteren Sichtungen in den habsburgischen Re-
sidenzen wurden von Rosa allein durchgeführt.41
Die große Inventur von 1772/1773
Um das Vorhaben einer neuen Aufstellung der Galerie zu verwirklichen, war Joseph Rosa
zunächst mit der Erschließung der Gemäldebestände für die kaiserliche Galerie und der
Aufrichtung eines Inventars befasst. Eine Generalinventur verlangte ein Konzept, das den
gesamten Bestand an Gemälden zu erfassen und zu identifizieren vermochte. Zur Be-
standserfassung der Gemälde wurde ein Plan entwickelt, dessen Ergebnis der Oberstkäm-
merer Heinrich Fürst Auersperg in einem Vortrag zum Inventar der Kaiserin im Dezember
1772, knapp zwei Monate nach der Bestellung Rosas, vorlegen konnte.42 Ob die darin ent-
haltene Konzeption der Inventur unter Mitwirkung von Joseph Rosa erstellt worden war,
geht aus dem Dokument nicht eindeutig hervor, wenngleich die zeitliche Koinzidenz von
Rosas Bestellung zum Galeriedirektor sowie die Tatsache, dass er darin dezidiert angeführt
wurde und ihm jedenfalls bei der Durchführung der Neuordnung der kaiserlichen Galerie
eine wesentliche Rolle zukam, darauf schließen lassen.
Die besondere Anforderung an eine vollständige Inventarisierung des weit gestreuten
habsburgischen Kunstbesitzes lag vor allem darin, eine übersichtliche Erfassung der Ge-
mälde zu gewährleisten – für einen Bestand, der sich aufgrund unentwegter Bildertrans-
fers zwischen den Sammlungen ständig änderte. Intention der Inventarisierung war es, ein
Instrument zur Auffindung, Identifizierung und Verwendung jedes einzelnen Werkes zu
schaffen, was bei der großen Menge des zu verzeichnenden Materials nur mit einer klaren
Grundstruktur des Inventars gelingen konnte.
Dieser Prämisse folgend, sei – so der Vortrag zum Inventar – zunächst die Aktennum-
mer einzutragen, sodann die Nummer des Gemäldes, die mit der mit weißer Ölfarbe auf
das Gemälde gesetzten Nummer übereinzustimmen habe, danach die Angabe des Künst-
lers und eine Beschreibung des Bildes, die das einzelne Werk genau bestimmen sollte. Dies
sei notwendig, um jede falsche Zuordnung auszuschließen. Des Weiteren sei im Fall des
Falles zu vermerken, wohin man das Werk transferiert hat und unter welcher Nummer es
im dortigen Inventar erscheint respektive wem es geschenkt wurde oder ob es ausgemus-
tert werden musste. Der Bericht an die Kaiserin besagt zudem, dass Joseph Rosa und An-
ton von Maron bereits Werke aus den Depots der Dachböden, den Galeriezimmern sowie
der Schatzkammer für die Aufstellung in der kaiserlichen Galerie ausgesucht und in das
„Gallerie-Haupt-Inventarium“ mit dem Vermerk „Lit.B.“, „Lit.Z.“ oder „Lit.S.“ eingetragen
hatten, damit man aus dieser Chiffre gleich erkennen könne, wo dieses oder jenes Stück
Die kaiserliche Gemäldegalerie in Wien und die Anfänge des öffentlichen Kunstmuseums
Die Kaiserliche Galerie im Wiener Belvedere (1776–1837), Volume 1
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- Title
- Die kaiserliche Gemäldegalerie in Wien und die Anfänge des öffentlichen Kunstmuseums
- Subtitle
- Die Kaiserliche Galerie im Wiener Belvedere (1776–1837)
- Volume
- 1
- Author
- Gudrun Swoboda
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2013
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79534-6
- Size
- 24.0 x 28.0 cm
- Pages
- 312
- Category
- Kunst und Kultur