Page - 35 - in Die kaiserliche Gemäldegalerie in Wien und die Anfänge des öffentlichen Kunstmuseums - Die Kaiserliche Galerie im Wiener Belvedere (1776–1837), Volume 1
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35 Fischer
Kunst nach Ordnung, Auswahl und System
zen, die Stiche sowie die Bücher wurden in andere, entsprechende Sammlungen transfe-
riert, weil „[…] der Gallerie-Director Rosa dieses Zimmer völlig mit Bildern bekleiden
möchte.“47 Die Skulpturen, die sich in den Galeriegängen befunden hatten, wurden zu
Studienzwecken an die Akademie abgegeben, dafür nicht geeignete in das Belvedere ge-
bracht.48
Sämtliche Bildbewegungen sind am Inventar von 1772 zu verfolgen: Im Anschluss an
den ersten Teil des Inventars von 1772 führte Rosa jene Gemälde an, die er aus den soge-
nannten Galerieböden (43 Stück), den Galeriezimmern (26 Stück) und der Schatzkammer
(16 Stück) sowie aus Ambras (16 Stück), Prag (7 Stück), Pressburg (7 Stück) und Laxen-
burg (19 Stück), und durch den Ankauf einiger Gemälde aus der Sammlung des sardini-
schen Gesandten in Wien, des Grafen Girolamo Luigi Malabaila di Canale (4 Stück)49,
für die Neuaufstellung der kaiserlichen Galerie ausgesucht hat. Diese Transferierungen
aus den habsburgischen Residenzen gründeten in der als selbstverständlich betrachteten
ständigen Verfügbarkeit und Entortbarkeit dieser Sammlungsbestände, die allesamt zum
kaiserlichen Familienbesitz gezählt wurden.
Aus den „Gallerie-Böden“ der kaiserlichen Sammlung in der Stallburg kamen hochka-
rätige Stücke wie die Gemälde von Guido Cagnacci Hl. Hieronymus, Mattia Preti Ungläubi-
ger Thomas, Orazio Gentileschi Ruhe auf der Flucht, Raffael (heute Schule) Kreuztragung,
Spagnuolo Aeneas, die Sibylle und Charon, Giorgione Drei Philosophen und Guido Reni Bü-
ßende Magdalena in die Galerie. (Abb. 9, 10) Dass sich diese herausragenden Werke zu Zei-
ten Karls VI. in den Depots befunden haben, wirkt auf den ersten Blick unverständlich, ver-
weist aber auf die grundlegenden Zwänge in der Konstruktion barocker Hängungen nach
dem Pendantsystem. Neben seiner künstlerischen Qualität musste ein Gemälde vor allem
das passende Format und die geeigneten stilistischen und kompositorischen Eigenschaf-
ten besitzen, um in das dicht gehängte Wandarrangement aufgenommen zu werden.
Demzufolge wurden Gemälde, bei denen man aufgrund ihrer künstlerischen Qualität ei-
gentlich annehmen müsste, sie wären in jedem Fall in die Galerie aufgenommen worden,
aufgrund mangelnder Eignung zum Pendantsystem auf den „Böden“ belassen. Dass Rosa
versuchte, möglichst alle erstklassigen Bilder aus den Depots in die Galerie zu bringen, Abb. 9
Giuseppe Maria Crespi, gen. Lo Spagnuolo,
Aeneas, die Sibylle und Charon, um 1695/1697,
Leinwand, 130 x 127 cm.
Wien, KHM, Gemäldegalerie, Inv.-Nr. 306
Abb. 10
Giorgio da Castelfranco, gen. Giorgione,
Die drei Philosophen, 1508/1509,
Leinwand, 125,5 x 146,2 cm.
Wien, KHM, Gemäldegalerie, Inv.-Nr. 111
Die kaiserliche Gemäldegalerie in Wien und die Anfänge des öffentlichen Kunstmuseums
Die Kaiserliche Galerie im Wiener Belvedere (1776–1837), Volume 1
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Die kaiserliche Gemäldegalerie in Wien und die Anfänge des öffentlichen Kunstmuseums
- Subtitle
- Die Kaiserliche Galerie im Wiener Belvedere (1776–1837)
- Volume
- 1
- Author
- Gudrun Swoboda
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2013
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79534-6
- Size
- 24.0 x 28.0 cm
- Pages
- 312
- Category
- Kunst und Kultur